Leitsätze zur Erforderlichkeit bußgeldrechtlicher Sanktionen,
insbesondere im Verhältnis zu Maßnahmen des
Verwaltungszwangs vom 2. März 1983
Die Mittel des Ordnungswidrigkeitenrechts sollten nur bei solchen Rechtspflichten als Sanktion eingesetzt werden, aus deren nicht rechtzeitiger oder nicht vollständiger Erfüllung sich erhebliche Nachteile für wichtige Gemeinschaftsinteressen ergäben.
Soweit Pflichtverstöße weniger wichtige Gemeinschaftsinteressen betreffen, ist eine Bußgeldbewehrung entbehrlich.
Vorschriften zur Durchsetzung von Handlungspflichten bedürfen keiner Bußgeldbewehrung, wenn die Vorschriften vorwiegend dem Schutz oder Interesse des Normadressaten dienen oder wenn bei Nichtbeachtung der jeweiligen Handlungspflichten keine erheblichen Nachteile für wichtige Gemeinschaftsinteressen drohen.
Vorschriften zur Durchsetzung von Auskunfts-, Melde- oder Mitteilungspflichten bedürfen nur dann einer Bußgeldbewehrung, wenn erst die Erfüllung dieser Pflichten ein Tätigwerden der zuständigen Behörde zur Wahrung wichtiger Gemeinschaftsinteressen möglich macht.
Vorschriften zur Durchsetzung von Duldungspflichten bedürfen nur dann einer Bußgeldbewehrung, wenn die Nichterfüllung der Duldungspflicht andere verwaltungsrechtliche Maßnahmen verhindert, die nur unter erheblichen Nachteilen für wichtige Gemeinschaftsinteressen verschiebbar sind. In anderen Fällen reicht die Durchsetzung mit Mitteln des Verwaltungszwangs aus.
Vorschriften, die zur Zahlung einer Geldforderung verpflichten, bedürfen keiner Bußgeldbewehrung.
Vorschriften zur Durchsetzung von sonstigen Mitwirkungspflichten, wie z. B. die Verwendung von Formblättern bei Meldungen, bedürfen nur dann einer Bußgeld-bewehrung, wenn bereits die Nichtbeachtung der jeweiligen Mitwirkungspflicht erhebliche Nachteile für wichtige Gemeinschaftsinteressen befürchten lässt. Ist die Mitwirkung ohne erhebliche Nachteile nachholbar, so muss sie mit Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden.
Eine Bußgeldbewehrung ist entbehrlich, wenn das Verhalten des Betroffenen durch Verweigerung einer Verwaltungsleistung gesteuert werden kann.
Eine Bußgeldbewehrung ist auch dann entbehrlich, wenn das Verhalten des Betroffenen durch Androhung des Entzugs oder Entzug einer Verwaltungsleistung, Konzession oder Vergünstigung gesteuert werden kann.
Vollziehbare Verwaltungsakte (Anordnungen und Auflagen), deren Zweck bereits durch ihren Vollzug erreicht werden kann, bedürfen keiner Bußgeldbewehrung.
Eine Bußgeldbewehrung sollte dort entfallen, wo das Wesen einer Pflicht die freiwillige Bereitschaft zu ihrer Übernahme voraussetzt.
Grundsätzlich sollen nur vorsätzliche Zuwiderhandlungen mit Geldbuße bedroht werden. Fahrlässige Zuwiderhandlungen sollen nur dann mit Geldbuße bedroht werden, wenn dies zur Durchsetzung einer Rechtspflicht erforderlich ist.
Einer BußgeIdbewehrung bedarf es nicht, wenn das Gebot oder Verbot durch arbeitsrechtliche, disziplinarrechtliche oder berufsrechtliche Maßnahmen ausreichend abgesichert werden kann.