Teil E Rechtsverordnungen

1Allgemeine rechtsförmliche Bemerkungen

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Der Begriff „Rechtsverordnung“ steht für Rechtsregeln, die unter einer Überschrift zusammengefasst und von den in Artikel 80 des Grundgesetzes bestimmten Organen (Bundesregierung, Bundesministerien, Landesregierungen u. a.) unter den verfassungsrechtlich bestimmten Voraussetzungen erlassen werden (Rn. 19). Rechtsverordnungen sind ebenso wie Gesetze verbindliche Rechtsvorschriften. Im Unterschied zu Gesetzen werden sie nicht vom Parlament, sondern von der Exekutive erlassen. Für den Erlass einer Rechtsverordnung muss eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmte gesetzliche Ermächtigung bestehen (Rn. 381 bis 411).

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Besonders wichtig ist es, das Zitiergebot des Artikels 80 Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes zu beachten. Nach diesem ist bei jeder Verordnung anzugeben, auf welcher Rechtsgrundlage sie beruht. Wird das Zitiergebot nicht beachtet, ist die Verordnung nichtig. Ein vergessener Hinweis kann nicht durch eine Änderung oder Ergänzung der Eingangsformel nachgeholt werden. Vorschriften einer Verordnung, für die die Ermächtigungen nicht oder nicht vollständig angegeben wurden, müssen unter Beachtung des Zitiergebots neu erlassen werden.

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Die Rechtsgrundlage wird in der Eingangsformel der Verordnung angegeben (Rn. 780 ff.). Die Eingangsformel bezeichnet außerdem, wer die Verordnung erlassen hat. Schließlich wird mit ihr bekundet, dass die in der Ermächtigungsnorm bestimmten Beteiligungen beachtet worden sind.

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Bei der Verordnungsgebung sind die Anforderungen an Form und Verfahren zu beachten, die durch die Verfassung und die Ermächtigungsnorm festgelegt sind. Der Regelungsinhalt einer Verordnung muss von der in der Eingangsformel angegebenen gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sein. Er muss dem in der Ermächtigung festgelegten Inhalt und Zweck entsprechen und darf nicht über das dort vorgesehene Ausmaß hinausgehen. Jedes Gericht entscheidet eigenverantwortlich für den Einzelfall, ob die Rechtsverordnung formell oder materiell rechtswidrig ist (Verwerfungskompetenz). Bei der Verordnungsgebung muss daher besonders sorgfältig gearbeitet werden, damit keine Zweifel an der Gültigkeit der Verordnung aufkommen.

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Es gibt Stammverordnungen (Rn. 767 ff.) und Änderungsverordnungen (Rn. 812 ff.). Sie sind grundsätzlich aufgebaut und formuliert wie Stammgesetze (Rn. 320 ff.) und Änderungsgesetze (Rn. 492 ff.). Für Verordnungsentwürfe gelten die wesentlichen Bestimmungen der GGO über Gesetzentwürfe entsprechend (§ 62 Absatz 2 GGO).

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Bestehendes Verordnungsrecht kann regelmäßig durch Änderungsverordnungen angepasst oder erweitert werden. Bei grundlegenden Änderungen empfiehlt sich der Erlass einer Ablösungsverordnung. Stammverordnungen sollten nur erlassen werden, um Verordnungsrecht erstmals zu schaffen (Rn. 493).