Teil D Änderungsgesetze

1Allgemeine Bemerkungen zur Änderungsgesetzgebung

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Rechtsetzungsvorhaben, die in ihrem Themenbereich nicht bereits Recht gleichen oder niedrigeren Ranges vorfinden, sind selten geworden. Der überwiegende Teil der Rechtsetzungstätigkeit liegt heute nicht in dem Erlass erstmaliger Regelungen, sondern in der Änderung des vorhandenen Rechts (Rn. 4).

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Bei jedem Änderungsvorhaben müssen die Einheitlichkeit und die Übersichtlichkeit der Rechtsordnung gewahrt werden:

  • Die gewollten Anpassungen müssen sich ohne Bruch in das vorhandene Stammrecht einfügen. Dafür ist grundsätzlich immer das Stammgesetz zu ändern, das den jeweiligen Sachverhalt bislang regelt.
  • Das Nebeneinander verschiedener Stammgesetze, die – im weiten Sinne – dieselbe Rechtsmaterie betreffen, bedeutet Unübersichtlichkeit und führt zu Anwendungsproblemen. Soweit verschiedene Stammgesetze eine Rechtsmaterie unnötig aufspalten, sind sie zusammenzufassen (Konzentration des Rechts).
  • Auch über die Ressortgrenzen hinweg müssen alle anstehenden Änderungsvorhaben miteinander verbunden werden. Lässt sich in naher Zukunft die Notwendigkeit einer erneuten Änderung bereits absehen, so ist besonders streng zu prüfen, ob zwei getrennte Änderungsgesetze wirklich unumgänglich sind oder ob sie nicht in einem Rechtsetzungsakt zusammengefasst werden können (Konzentration der Rechtsetzung).
  • Änderungen sollen beständige Regelungen ergeben (Beständigkeit des Rechts). Um Änderungen zu vermeiden, die ihrerseits änderungsanfällig sind, können verschiedene gesetzestechnische Möglichkeiten genutzt werden z. B. die Vorteile der Verweisung (Rn. 218 ff.) oder der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen (Rn. 381 ff.).
  • Um die fortwährende Bereinigung des Rechts sicherzustellen und eigenständige Rechtsbereinigungsgesetze überflüssig zu machen, ist bei Gelegenheit eines Änderungsvorhabens zu prüfen, ob Vorschriften des zu ändernden Gesetzes überflüssig oder gegenstandslos geworden sind (z. B. alte Übergangsvorschriften), aktualisiert werden müssen (z. B. veraltete Bezeichnungen) oder ob Regelungsreste (Rn. 686) aus früheren Änderungsgesetzen beseitigt werden können (Bereinigung des Rechts).
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Für die Änderung des geltenden Rechts stehen die folgenden Grundformen zur Verfügung, die sich in ihrer Struktur erheblich voneinander unterscheiden:

  • das Ablösungsgesetz, das ein Stammgesetz konstitutiv neu fasst (Rn. 504 ff.);
  • die Einzelnovelle, die in der Hauptsache nur ein Stammgesetz ändert (Rn. 516 ff.);
  • das Mantelgesetz, das in einem Rechtsetzungsakt mehrere Gesetze ändert, neu schafft oder aufhebt (Rn. 717 ff.).
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Welche dieser Grundformen sich im Einzelfall am besten eignet, hängt von dem Änderungspensum ab, das bewältigt werden muss. Um die richtige Grundform wählen zu können, muss zunächst Klarheit über Art und Umfang der notwendigen Änderungen bestehen.

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Hinsichtlich der Art ist zwischen Haupt- und Folgeänderungen zu unterscheiden. Das Änderungspensum des Rechtsetzungsvorhabens ergibt sich aus der Summe dieser Änderungen.

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Hauptänderungen dienen der unmittelbaren Umsetzung eines rechtspolitischen Ziels. Werden durch die Hauptänderungen andere Vorschriften unrichtig, so sorgen Folgeänderungen für die Stimmigkeit der neuen Regelungen mit dem übrigen Recht. Folgeänderungen werden nie in einem selbständigen Rechtsetzungsverfahren vorgenommen, sondern nur zusammen mit den Hauptänderungen. Welche Folgeänderungen notwendig sind, kann mit Hilfe der Datenbank des Bundesrechts bei juris ermittelt werden (Rn. 28 ff.).

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Wer ein Änderungsgesetz formulieren will, erstellt oft schon frühzeitig in der Entwurfsphase eine dreispaltige Synopse, in der die künftig gewollte stimmige Fassung des Stammgesetzes dem bisherigen Wortlaut gegenübergestellt wird und die erforderlichen Änderungen aufgeführt werden (Rn. 35). Auch die Bundestagsausschüsse können für ihre Beratungen Synopsen anfordern (§ 53 Absatz 2 GGO).

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Soll der Gesetzestext nicht durch ein Ablösungsgesetz konstitutiv neu gefasst werden, muss man sich zur Änderung des geltenden Rechts einer festgelegten Änderungstechnik bedienen, mit der der Wortlaut bestehender, genau bestimmter Texte entweder ganz oder teilweise aufgehoben, ergänzt oder gegen einen neuen Wortlaut ausgetauscht wird. Gesetzestechnisch weist eine Änderung meist zwei Teile auf, die voneinander zu unterscheiden sind:

  • Der änderungssprachliche Teil besteht aus dem Eingangssatz, der das zu ändernde Stammgesetz konkret bezeichnet, und dem Änderungsbefehl. Der Änderungsbefehl gibt an, an welcher Stelle im Wortlaut des Stammgesetzes welche Änderung vorgenommen werden soll (z. B.: In § … wird das Wort „…“ durch die Wörter „…“ ersetzt).
  • Der regelungssprachliche Teil ist in den Änderungsbefehl eingebettet und enthält alles, was neuer Wortlaut des Stammgesetzes werden soll (z. B.: In § … wird das Wort „genehmigt“ durch die Wörter „erlaubt oder geduldet“ ersetzt). Der regelungssprachliche Teil muss in der Zusammenschau mit dem unveränderten Wortlaut den allgemeinen Empfehlungen für das Formulieren von Rechtsvorschriften im Teil B folgen.

Während sich die rechtliche Bedeutung des änderungssprachlichen Teils mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes durch Vollzug im Wortlaut des Stammgesetzes erledigt hat, ist der regelungssprachliche Teil von diesem Zeitpunkt an wirksamer Bestandteil des Stammgesetzes.

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Die Änderungstechnik (Rn. 552 ff.) hat Nachteile. Aus so formulierten Änderungsgesetzen wird die inhaltliche Bedeutung der Änderungen kaum ersichtlich. Die Änderungsbefehle beziehen sich meist nur auf einzelne Wörter, Satzteile oder Sätze usw. Sie sind nicht nach ihrer Bedeutung geordnet, sondern entsprechend der Paragraphenfolge des Stammgesetzes aneinandergereiht. Die Änderungen können nur im Vergleich mit dem bisherigen Wortlaut des Stammgesetzes verstanden werden. Der künftig geltende Wortlaut des Gesetzes muss also erst zusammengefügt werden. Dadurch sind Veränderungen der Rechtslage für die Öffentlichkeit nur schwer erkennbar.

501

Die Vorteile der Änderungstechnik liegen darin, dass im Gesetzgebungsverfahren nicht über das Stammgesetz insgesamt, sondern nur über die Änderungen diskutiert und beschlossen wird. Für die Rechtsanwender werden die Änderungen als solche deutlich und damit der Änderungsvorgang nachvollziehbar. Die Änderungstechnik erlaubt es außerdem denjenigen, die regelmäßig mit dem Stammgesetz arbeiten, sich rasch einen Überblick über das Umlern- und das Änderungspensum zu verschaffen.

502

Die Vor- und Nachteile der Änderungstechnik müssen im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Die Vorteile der Änderungstechnik überwiegen ihre Nachteile regelmäßig, wenn

  • die Rechtsetzung auf das aktuelle Änderungspensum konzentriert werden soll,
  • die Änderungen hervorgehoben werden sollen und
  • der Umfang der Textänderungen im Verhältnis zum Umfang des betroffenen Stammgesetzes gering ist.

Gesetzestechnisch kommen in einem solchen Fall die Einzelnovelle (Rn. 516 ff.) oder das Mantelgesetz (Rn. 717 ff.) infrage.

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Liegt der Schwerpunkt des Rechtsetzungsvorhabens in der umfassenden Neugestaltung eines Sachgebietes, so könnte eine Formulierung im reinen Änderungsstil unübersichtlich werden und u. U. die rechtspolitische Bedeutung des Rechtsetzungsvorhabens nicht genügend hervorheben. Dem Adressaten würde ein vollständiger Wortlaut des Stammgesetzes erst zur Verfügung stehen, wenn dem Änderungsgesetz noch eine Neubekanntmachung des Wortlauts folgt (Rn. 859 ff.). Bei umfassenden Neugestaltungen sollte deshalb ein neues Stammgesetz geschaffen und das bisher geltende Recht aufgehoben werden. Gesetzestechnisch steht hierfür das Ablösungsgesetz zur Verfügung (Rn. 504 ff.).