Teil B Allgemeine Empfehlungen für das Formulieren von Rechtsvorschriften
5Besondere Hinweise zum Recht der Europäischen Union
5.1Bezeichnung der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaften, ihrer Gründungsverträge, Mitglieder, Organe und Rechtsvorschriften sowie des Europäischen Wirtschaftsraums
Die Europäische Union vereint 27 europäische Staaten26 durch ein umfangreiches, historisch gewachsenes Vertragswerk. Auf dessen Grundlage wurden Strukturen, Organe und Verfahren geschaffen, die die Beziehungen der Mitgliedstaaten regeln und gestalten. Im Laufe der Zeit ist eine Vielzahl von Begriffen und Bezeichnungen entstanden, die oftmals uneinheitlich gebraucht werden. In Rechtsvorschriften des Bundes sollten sie jedoch nach den folgenden Empfehlungen einheitlich verwendet werden.
26Stand: 2008Im Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 wurden bedeutsame Umstrukturierungen beschlossen, die nach dessen Inkrafttreten, das für den 1. Januar 2009 geplant ist, zu beachten sind. Die wichtigsten Änderungen sind am Ende der jeweiligen Randnummern kursiv oder an Ort und Stelle in Fußnotenhinweisen vermerkt. Enthält eine Randnummer keinen besonderen Hinweis auf den Vertrag von Lissabon, ist davon auszugehen, dass die Empfehlung unverändert bleibt.
Das europäische Integrationswerk beruht auf folgenden Gründungsverträgen:
- „EU-Vertrag“ oder „Vertrag über die Europäische Union“;
- „EG-Vertrag“ oder „Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“;
- „EAG-Vertrag“ oder „Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft“.
Das Vollzitat der einzelnen Verträge ist nicht erforderlich.
Die auf dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und auf dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft beruhenden Gemeinschaften bezeichnet man in Rechtsvorschriften als
- „Europäische Gemeinschaft“,
- „Europäische Atomgemeinschaft“.
Die sonst allgemein gebräuchlichen Abkürzungen für die Gemeinschaften sind in Rechtsvorschriften nur in Ausnahmefällen (Rn. 139 ff.) zulässig: EG und EAG oder Euratom.
Diese beiden Gemeinschaften bilden die erste Säule der Europäischen Union.
Vertrag von Lissabon:
Grundlage der Union sind der „Vertrag über die Europäische Union" (EU-Vertrag) und der „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union" (AEU-Vertrag). Der „Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft" (EAG-Vertrag) besteht in geänderter Form fort. Der bisherige EG-Vertrag wird durch den AEU-Vertrag ersetzt. Durch die Neufassung von Artikel 6 des EU-Vertrags wird die Grundrechtecharta für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union rechtsverbindlich und ist damit bei der Rechtsprüfung zu beachten. Das Vollzitat der einzelnen Verträge ist nicht erforderlich. Die allgemein gebräuchliche Abkürzung EU ist in Rechtsvorschriften nur in Ausnahmefällen (Rn. 139 ff.) zulässig.
Die Bezeichnung „Europäische Union“ steht zusammenfassend für die Europäischen Gemeinschaften und für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Diese Bezeichnung wird auch verwendet, wenn es um die Aktivitäten auf den Einzelfeldern der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen geht. Diese Bereiche werden auch als zweite und dritte Säule der Europäischen Union bezeichnet.
Vertrag von Lissabon:
Die Drei-Säulen-Struktur ist abgeschafft. Die (Europäische) Union tritt an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft. Sie ist deren Rechtsnachfolgerin und besitzt Rechtspersönlichkeit. Der Begriff „Europäische Gemeinschaft" wird durch „Europäische Union“ bzw. „Union" ersetzt.
Wird in Rechtsvorschriften auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union Bezug genommen, so ist ausschließlich die Bezeichnung „Mitgliedstaaten der Europäischen Union“ zu verwenden.
Für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist die Bezeichnung „Unionsbürger“ festgelegt.
Die Organe der Europäischen Gemeinschaften sind wie folgt zu bezeichnen:
- „Europäisches Parlament“;
- „Rat“ oder „Rat der Europäischen Union“; für den Rat, der aus Vertretern der Mitgliedstaaten auf Ministerebene besteht, wird in Rechtsakten und im Eingangssatz von Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen die Bezeichnung „Rat der Europäischen Union“ verwendet, in der Überschrift der Rechtsakte wie im Vertrag selbst die einfache Bezeichnung „Rat“;
- „Kommission“ oder „Kommission der Europäischen Gemeinschaften“; in juristischen Texten sollen diese Bezeichnungen verwendet werden, die Kommission nennt sich selbst allerdings offiziell „Europäische Kommission“;
- „Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften“; neben dem Gerichtshof steht das Gericht erster Instanz und das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union;
- „Rechnungshof“ oder „Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften“.
Der Europäische Rat ist in Abgrenzung zum Rat eine Einrichtung der Europäischen Union, die nach Artikel 4 des EU-Vertrags für die regelmäßigen Zusammenkünfte der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten und des Präsidenten der Kommission steht, in denen die politischen Leitlinien für die Europäische Union festgelegt werden.
Vertrag von Lissabon:
Die Organe der Union sind wie folgt zu bezeichnen:
- „Europäisches Parlament";
- „Europäischer Rat", zusammengesetzt aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten der Kommission und dem Präsidenten des Europäischen Rates selbst, er legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten fest;
- „Rat", bestehend aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaates auf Ministerebene;
- „Kommission" oder „Europäische Kommission";
- „Gerichtshof der Europäischen Union", bestehend aus „Gerichtshof", „Gericht" (der bisherige Zusatz „erster Instanz" entfällt) und „Fachgerichten";
- „Rechnungshof".
Soll in Rechtsvorschriften auf Rechtsakte der Organe der Europäischen Gemeinschaften oder auf die Gründungsverträge (Rn. 266) in verallgemeinernder Form Bezug genommen werden, kommen je nach Sinn und Zweck der zu treffenden Regelung folgende Formulierungen in Betracht:
- „Recht der Europäischen Gemeinschaft“ oder „Recht der Europäischen Atomgemeinschaft“,
- „die von der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Rechtsvorschriften“ oder „die von der Europäischen Atomgemeinschaft erlassenen Rechtsvorschriften“, oder
- „Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft“ oder „Rechtsakte der Europäischen Atomgemeinschaft“.
Will man Rechtsakte beider Gemeinschaften verallgemeinernd ansprechen, kann der Begriff „Europäische Gemeinschaften“ verwendet werden.
Sollen nur Rechtsakte aus der zweiten und dritten Säule angesprochen werden, kann dies durch die Formulierung „Rechtsakte der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ oder „Rechtsakte der Europäischen Union im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit“ ausgedrückt werden. Die Bezeichnung „Recht der Europäischen Union“ oder „Rechtsakte der Europäischen Union“ sollte verwendet werden, wenn sowohl die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als auch die justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit in Strafsachen angesprochen werden. Sie kann auch zusammenfassend für das Europäische Gemeinschaftsrecht und das Recht im Bereich der zweiten und dritten Säule der Europäischen Union gebraucht werden.
Vertrag von Lissabon:
Ab dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon werden die Bezeichnungen „Recht der Europäischen Union“ bzw. „Rechtsakte der Europäischen Union“ verwendet. Die bisherige Unterscheidung anhand einer Drei-Säulen-Struktur entfällt.
Mit dem Abkommen vom 2. Mai 1992 (BGBl. 1993 II S. 266) wurde außerdem der einheitliche Europäische Wirtschaftsraum geschaffen, im allgemeinen Sprachgebrauch „EWR-Abkommen“ genannt. In Rechtstexten wird er als „Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum“ bezeichnet. Sollen neben den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch die anderen Vertragsstaaten des EWR-Abkommens erfasst werden, ist auf „die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum“ Bezug zu nehmen.
5.2Zitierweise des Rechts der Europäischen Union
Die Zitierweise des Rechts der Europäischen Union richtet sich grundsätzlich nach den Gepflogenheiten auf europäischer Ebene. Dies gilt für die Verträge, für die Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften und auch für die Rechtsakte im Bereich der dritten Säule der Europäischen Union. In diesem Zusammenhang sind die Gemeinsamen Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften27 zu beachten, auf die sich das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften verständigt haben. Zu beachten ist auch der daraus entwickelte Gemeinsame Leitfaden des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission für Personen, die in den Gemeinschaftsorganen an der Abfassung von Rechtstexten mitwirken28 (Auszug im Anhang 4).
27Interinstitutionelle Vereinbarung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 22. Dezember 1998 (ABl. C 73 vom 17.3.1999, S. 1)28http://www.eur-lex.europa.eu/de/techleg/index.htm
In der Rechtspraxis werden neben den europäischen Verträgen am häufigsten Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften und innerhalb der dritten Säule gefasste Rahmenbeschlüsse und Beschlüsse der Europäischen Union zitiert. Für die Bezeichnung dieser Rechtsakte haben sich feste Regeln herausgebildet.
Vertrag von Lissabon:
Das System der Regelungsinstrumente der Union ist neu geregelt (Artikel 288 Absatz 1 des AEU-Vertrages). Die Rechtsakte der Union werden wie folgt bezeichnet:
- Verordnung;
- Richtlinie;
- Beschluss;
- Empfehlung;
- Stellungnahme.
Solange die Zitierweise dafür vonseiten der Europäischen Union noch nicht genau festgelegt ist, folgt sie den bisherigen Mustern.
Wird in einem Gesetz oder in einer Verordnung auf einen Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union Bezug genommen, ist er mit seiner vollständigen Bezeichnung (Vollzitat) anzugeben.
Die Bezeichnung einer Verordnung der Europäischen Gemeinschaften29 enthält in der nachstehenden Reihenfolge:
- die Bezeichnung „Verordnung“,
- die Kurzbezeichnung der jeweils erlassenden Gemeinschaft: EG, EAG30,
- die Bezugsnummer, bestehend aus der Abkürzung „Nr.“, der Ordnungsnummer und der Jahreszahl des Erlasses,
- die erlassenden Organe,
- den Zeitpunkt der Annahme,
- die Bezeichnung des Gegenstands der Verordnung und
- die Fundstelle im Amtsblatt (Rn. 177).
30Vertrag von Lissabon: EU
Beispiel31:
Verordnung (EG) Nr. 490/2007 der Kommission vom 3. Mai 2007 zur Festlegung pauschaler Einfuhrwerte für die Bestimmung der im Sektor Obst und Gemüse geltenden Einfuhrpreise (ABl. L 116 vom 4.5.2007, S. 1)
Die Bezeichnung einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften32 enthält in der nachstehenden Reihenfolge:
- die Bezeichnung „Richtlinie“,
- die Bezugsnummer, bestehend aus der Jahreszahl des Erlasses, der Ordnungsnummer und der Abkürzung für die jeweils erlassende Gemeinschaft: EG, EAG33,
- die erlassenden Organe,
- den Zeitpunkt der Annahme,
- die Bezeichnung des Gegenstands der Richtlinie und
- die Fundstelle im Amtsblatt (Rn. 177).
33Vertrag von Lissabon: EU
Beispiel34:
Richtlinie 2004/81/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren (ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 19)
Die Bezeichnung eines Rahmenbeschlusses oder eines Beschlusses der Europäischen Union35 enthält in der nachstehenden Reihenfolge:
- die Bezeichnung „Rahmenbeschluss“ oder „Beschluss“,
- die Bezugsnummer, bestehend aus der Jahreszahl des Erlasses, der Ordnungsnummer und der Abkürzung für das erlassende Organ,
- das erlassende Organ,
- den Zeitpunkt der Annahme,
- die Bezeichnung des Gegenstands des Rahmenbeschlusses oder Beschlusses und
- die Fundstelle im Amtsblatt (Rn. 177).
Beispiel36:
Rahmenbeschluss 2006/960/JI des Rates vom 18. Dezember 2006 über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. L 386 vom 29.12.2006, S. 89)
Zusätzliche Angaben in der Fundstelle sind entsprechend den Zitierregeln für das Bundesrecht erforderlich, wenn der letzte amtliche Text einer Verordnung, einer Richtlinie, eines Rahmenbeschlusses oder eines Beschlusses berichtigt worden ist (Rn. 187). Dabei ist der Berichtigungshinweis nur mit der Nummer des Amtsblattes der Europäischen Union und der Seitenzahl anzugeben. Ist die Berichtigung in einem anderen Jahrgang des Amtsblattes veröffentlicht worden, so muss dieser mit angegeben werden.
Beispiel37:
Richtlinie 2006/88/EG des Rates vom 24. Oktober 2006 mit Gesundheits- und Hygienevorschriften für Tiere in Aquakultur und Aquakulturerzeugnisse und zur Verhütung und Bekämpfung bestimmter Wassertierkrankheiten (ABl. L 328 vom 24.11.2006, S. 14, L 140 vom 1.6.2007, S. 59)
Zum Vollzitat von Rechtsakten der Europäischen Union gehört wie beim Bundesrecht auch die Angabe von Änderungen. Wurde ein Rechtsakt mehrmals geändert, ist nur die letzte Änderung anzugeben. Der Änderungshinweis bezeichnet nur den ändernden Rechtsakt, seine Bezugsnummer und seine Fundstelle.
Beispiele38:
Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302 vom 19.10.1992, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) 1791/2006 (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 1) geändert worden ist
Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22, L 271 vom 16.10.2007, S. 18), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1430/2007 (ABl. L 320 vom 6.12.2007, S. 3) geändert worden ist
38Vertrag von Lissabon: Beispiele für Änderungshinweise zu den künftigen Rechtsakten der Europäischen Union sind noch nicht verfügbar.Muss auf einen Rechtsakt der Europäischen Union wiederholt verwiesen werden, genügt das Vollzitat bei seiner ersten Nennung im Text der Rechtsvorschrift. Danach kann statt des Vollzitats ein Kurzzitat verwendet werden, das sich auf die Angabe des Rechtsaktes und der Bezugsnummer beschränkt (Rn. 240, 243, 248).
Beim Zitieren einzelner Vorschriften des Rechts der Europäischen Union ergeben sich einige Besonderheiten auf Grund der vom deutschen Recht abweichenden Gliederung der Vorschriften. Diese Untergliederungen sind unverändert zu übernehmen.
Neben den Untergliederungen in Absätze, Nummern und Buchstaben finden sich im Recht der Europäischen Union auch Unterabsätze, Ziffern und Gedankenstriche (Anhang 4).
Beispiele40:
Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer i der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 …
Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer ii der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 …
Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 …
5.3Anpassung von Bundesrecht an das Recht der Europäischen Union
Rechtsakte der Europäischen Union lösen in zunehmendem Maße Rechtsetzungsaktivitäten des Bundes aus. Jede durch das Recht der Europäischen Union veranlasste Rechtsetzung muss sich an den Vorgaben des jeweiligen Rechtsaktes, aber auch am übrigen Recht der Europäischen Union messen lassen. Deshalb ist das innerstaatliche Recht auf Lücken und Widersprüche im Hinblick auf die europäischen Vorgaben zu überprüfen und soweit erforderlich anzupassen. § 43 Absatz 1 Nummer 8 GGO verlangt, dass in der Begründung zu einem Gesetzentwurf dargestellt wird, ob und wenn ja welche Bezüge zum Recht der Europäischen Union bestehen und dass der Entwurf, wenn er solche Bezüge aufweist, mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist.
Vertrag von Lissabon:
Der Gesetzentwurf muss mit der Grundrechtecharta vereinbar sein. In der Begründung ist dies auszuführen, wenn entsprechende Bezüge bestehen.
5.3.1Europarechtskonforme Durchführungsregelungen zu Verordnungen der Europäischen Gemeinschaften41
41Vertrag von Lissabon: Verordnungen der Europäischen Union
Die Verordnungen gelten unmittelbar, d. h. sie bedürfen keiner innerstaatlichen Umsetzungsakte oder besonderen Bekanntgabe nach innerstaatlichem Recht.
Zur Durchführung einer Verordnung können aber ergänzende innerstaatliche Regelungen erforderlich sein. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, geeignete innerstaatliche Maßnahmen zu treffen, um die uneingeschränkte Anwendbarkeit der Verordnung zu gewährleisten. In einigen Verordnungen werden die Mitgliedstaaten ausdrücklich ermächtigt, ergänzende Bestimmungen zu ihrer Durchführung zu erlassen.
Ist die Durchführung einer Verordnung einziger Regelungszweck des Entwurfs, so kann dies bereits in der Überschrift der Rechtsvorschrift mit der Bezeichnung ausgedrückt werden: Wegen der meist sehr langen Bezeichnung der zu nennenden Verordnung bietet es sich an, eine inhaltsbezogene Kurzbezeichnung zu bilden.
Beispiel:
Bezeichnung: Verordnung zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1349/72 des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Erzeugung von und den Verkehr mit Bruteiern und Küken von Hausgeflügel
Kurzbezeichnung: Bruteier-Kennzeichnungsverordnung
Durchführungsbestimmungen dürfen die unmittelbare Wirkung einer Verordnung nicht beeinträchtigen. Durchführungsbestimmungen müssen deshalb so ausgestaltet werden, dass sie den Zweck oder die Wirkung der Verordnung nicht verändern.
In innerstaatlichen Rechtsvorschriften ist die Wiedergabe der unmittelbar geltenden Bestimmungen der Verordnungen unzulässig. Anderenfalls könnten Unklarheiten über Urheberschaft und Geltungsrang entstehen.
In den Durchführungsbestimmungen sind häufig Straf- oder Bußgeldbestimmungen zu den Verordnungen zu treffen. Nähere Hinweise und Beispiele für die Bewehrung von Pflichtverletzungen nach Verordnungen sind in den Empfehlungen zur Ausgestaltung von Straf- und Bußgeldvorschriften enthalten (Rn. 43).
5.3.2Europarechtskonforme Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften42 und von Rahmenbeschlüssen der Europäischen Union43
42Vertrag von Lissabon: Richtlinie der Europäischen Union
43Vertrag von Lissabon: Der Rahmenbeschluss ist als Rechtsakt nicht mehr vorgesehen.
Im Gegensatz zu Verordnungen, die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten, bedürfen Richtlinien regelmäßig der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten. Sie sind für die Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.
Das in der Sache federführende Ministerium ist für die fristgemäße Umsetzung von Rechtsakten und sonstigen für die Mitgliedstaaten verbindlichen Beschlüssen der Europäischen Union verantwortlich (§ 75 Absatz 1 GGO). Für die Umsetzung gelten die allgemeinen Regeln für die Vorbereitung von Gesetzen und Verordnungen (§ 75 Absatz 2 GGO).
Für bundesrechtliche Umsetzungsvorschriften ist zu beachten, dass
- die Kompetenzverteilung zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung berücksichtigt wird;
- nur Gesetze und Rechtsverordnungen infrage kommen, weil das Richtlinienrecht in allgemeinverbindliche Rechtsnormen umgesetzt werden muss (allgemeine Verwaltungsvorschriften können die Umsetzung allenfalls ergänzen);
- der Normgeber sich auf wirklich notwendige Regelungen beschränkt.
Bei der Prüfung des Umsetzungsbedarfs in inhaltlicher Hinsicht ist zu beachten, dass Richtlinien oftmals eine Terminologie und Regelungstechnik verwenden, die dem Bundesrecht fremd sind. Für die Umsetzung von Richtlinien genügt es deshalb nicht, ihre Vorschriften lediglich wörtlich für verbindlich zu erklären. Die wichtigste Arbeit besteht darin, richtlinienkonforme Regelungen zu schaffen, die sich bestens in die deutsche Rechtsordnung einfügen.
Um den Umsetzungsbedarf zu ermitteln, sind bestehende bundesrechtliche Vorschriften mit den Richtlinienvorgaben zu vergleichen. Regelungsbedarf kann dort bestehen, wo einem von der Richtlinie erfassten Bereich keine Regelung im Bundesrecht gegenübersteht oder eine Richtlinienbestimmung nicht vollends durch bundesrechtliche Rechtsnormen erfasst ist.
Der Umsetzungsbedarf einer Richtlinie ist nach folgendem Grundmuster zu ermitteln:
- Welchen sachlichen Anwendungsbereich hat die Richtlinie? Erwägungsgründe mit einbeziehen!
- Welche Vorschriften bedürfen der Ausgestaltung, welche lassen keinen Umsetzungsspielraum?
- Welche innerstaatlichen Rechtsbereiche sind betroffen?
- Gibt es in diesen Rechtsbereichen bereits bundesrechtliche Vorschriften zum Gegenstand der Richtlinie?
- Welche Regelungen entsprechen vollständig der Richtlinie?
- Welche Regelungen sind weiter als die der Richtlinie?
- Welche Regelungen sind enger als die der Richtlinie?
- Ist eine Änderung entsprechend den Richtlinienvorgaben zwingend geboten?
- Müssen Regelungen aufgehoben werden?
- Genügt eine Änderung der vorhandenen Regelung?
- Müssen neue Regelungen geschaffen werden?
- Wenn neue Regelungen erforderlich sind:
- Kann die Umsetzung in einem neuen Stammgesetz oder in einer neuen Stammverordnung zusammengefasst werden?
- Sind vorhandene Rechtsvorschriften zu ergänzen?
- Wirken sich die Änderungen auf andere Regelungen aus?
Treten im Zusammenhang mit der Prüfung des Umsetzungsbedarfs Zweifel bei der Auslegung einzelner Formulierungen der Richtlinie auf, empfiehlt es sich, die anderen im Amtsblatt veröffentlichten Sprachfassungen heranzuziehen, um den Willen des Normgebers zu ermitteln. Dies gilt auch, wenn die deutsche Übersetzung der Richtlinie rechtlich bedeutsame Formulierungen enthält, die in der deutschen Rechtsordnung üblicherweise anders gefasst werden.
Sind besondere Regelungen notwendig, um die Richtlinie umzusetzen, bieten sich grundsätzlich folgende rechtstechnische Formen an:
Welche Form zweckmäßig ist, kann nur mit Blick auf die konkrete Richtlinie beurteilt werden. Die gewählte Form muss geeignet sein, das von der Richtlinie verbindlich vorgeschriebene Ziel zu erreichen, und den Anforderungen an Bestimmtheit und Normenklarheit genügen.
Bei der Umsetzung durch eine eigenständige Regelung ist sorgfältig darauf zu achten, dass die Richtlinie vollständig umgesetzt wird und nur notwendige, möglichst allgemeinverständliche Regelungen geschaffen werden, die sich widerspruchslos in die bestehende Rechtsordnung einfügen.
Eine Umsetzung durch wörtliche Übernahme kommt nur in Betracht, wenn die jeweiligen Regelungen einer Richtlinie hinreichend bestimmt und verständlich sind. Vor einer unveränderten Übernahme von Vorschriften und Rechtsbegriffen aus Richtlinien ist sorgfältig zu prüfen, ob und wie sie sich in das geltende deutsche Recht einfügen. Dabei ist zu beachten:
- Verwendet eine Richtlinie Begriffe, die auch im deutschen Recht gebräuchlich sind, ist deren Übernahme nur dann problemlos möglich, wenn sich die Begriffsinhalte decken.
- Ein weiter europarechtlicher Begriff darf nicht durch einen engeren gleichlautenden deutschen Begriff umgesetzt werden.
Für eine Umsetzung durch Verweisung eignen sich nur hinreichend bestimmte und verständliche Richtlinien, deren Gegenstand noch nicht durch deutsches Recht geregelt ist. Zumeist wird man lediglich auf einzelne Richtlinienbestimmungen verweisen. Die Vor- und Nachteile der Verweisungstechnik (Rn. 225 ff.) sind bei Bezugnahmen auf Richtlinienbestimmungen besonders sorgfältig daraufhin abzuwägen, ob die in Bezug genommenen Vorschriften der Richtlinie für sich genommen oder in der Zusammenschau mit den deutschen Rechtsnormen für den Adressaten hinreichend verständlich sind.
Die vorangehenden Ausführungen gelten entsprechend auch bei der Umsetzung von Rahmenbeschlüssen der Europäischen Union, die im Bereich der dritten Säule gefasst werden. Sie sind nicht unmittelbar wirksam und für die Mitgliedstaaten nur hinsichtlich ihres Zieles verbindlich. An dieses sind die innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften möglichst wirksam anzupassen, wobei die Wahl der Form und Mittel den Mitgliedstaaten überlassen bleibt.
Vertrag von Lissabon:
Die Rechtsform „Rahmenbeschluss“ existiert nicht mehr. Auf Grund des Wegfalls der Drei-Säulen-Struktur werden Rechtsakte der Union, die nur hinsichtlich ihres Zieles verbindlich sein sollen, einheitlich in Form der Richtlinie ergehen. Davon zu unterscheiden sind die „Beschlüsse“ der Europäischen Union im Sinne von Artikel 288 Absatz 4 des AEU-Vertrages, die in allen ihren Teilen verbindlich sind, aber umgesetzt werden müssen (Rn. 303 ff.).
5.3.3Europarechtskonforme Umsetzung von Beschlüssen der Europäischen Union (Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe c des EU-Vertrages)44
44Vertrag von Lissabon: Beschlüsse im Sinne von Artikel 288 Absatz 4 des AEU-Vertrages
Beschlüsse der Europäischen Union sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sofern sie an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, bedürfen sie regelmäßig der Umsetzung in innerstaatliches Recht. Maßgebend ist dabei der konkrete Inhalt des jeweiligen Beschlusses. Beschlüsse enthalten – anders als Richtlinien – nicht nur Zielvorgaben. Sie gewähren bei der Umsetzung grundsätzlich keinen Spielraum.
Das in der Sache federführende Ministerium ist für die fristgemäße Umsetzung der für die Mitgliedstaaten verbindlichen Beschlüsse der Europäischen Union verantwortlich (§ 75 Absatz 1 GGO). Für die Umsetzung gelten die allgemeinen Regeln für die Vorbereitung von Gesetzen und Verordnungen (§ 75 Absatz 2 GGO). Für bundesrechtliche Umsetzungsvorschriften ist die Kompetenzverteilung zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung zu beachten.
Es besteht Regelungsbedarf, wenn die Bestimmungen des Beschlusses noch nicht vollständig durch bundesrechtliche Normen erfasst sind.
Treten im Zusammenhang mit der Prüfung des Umsetzungsbedarfs Zweifel bei der Auslegung einzelner Formulierungen des Beschlusses auf, empfiehlt es sich, die anderen im Amtsblatt veröffentlichten Sprachfassungen heranzuziehen, um den Willen des europäischen Normgebers zu ermitteln. Dies gilt auch, wenn die deutsche Übersetzung des Beschlusses rechtlich bedeutsame Formulierungen enthält, die in der deutschen Rechtsordnung üblicherweise anders gefasst werden.
Die zu schaffenden innerstaatlichen Regelungen müssen den verbindlich vorgeschriebenen Inhalt des Beschlusses der Europäischen Union vollständig umsetzen und zudem den Anforderungen an Bestimmtheit und Normenklarheit genügen. Sofern der konkrete Beschluss keine bestimmten Vorschriften enthält, bieten sich folgende rechtstechnische Formen an, um den Beschluss der Europäischen Union umzusetzen:
Vor einer unveränderten Übernahme von Vorschriften und Rechtsbegriffen aus Beschlüssen ist sorgfältig zu prüfen, ob und wie sie sich in das geltende deutsche Recht einfügen. Dabei ist zu beachten:
- Verwendet der Beschluss Begriffe, die auch im deutschen Recht gebräuchlich sind, ist deren Übernahme nur dann problemlos möglich, wenn sich die Begriffsinhalte decken.
- Ein weiter europarechtlicher Begriff darf nicht durch einen engeren gleichlautenden deutschen Begriff umgesetzt werden.
5.4Europarechtliche Zitiergebote
5.4.1Zitiergebot bei der Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften45
45Vertrag von Lissabon: Richtlinien der Europäischen Union
Nach einer allgemeinen Einigung von Rat und Kommission sollen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Richtlinien in den Umsetzungsregelungen auf die Richtlinie Bezug nehmen. Das Zitiergebot ist seitdem in den Schlussvorschriften jeder Richtlinie enthalten. Dieser Hinweis auf die umzusetzende Richtlinie hat einen hohen Informationswert. Zum einen erfährt man unmittelbar, welche gemeinschaftsrechtliche Quelle zusätzlich heranzuziehen ist, zum anderen kennzeichnet der Hinweis die innerstaatlichen Vorschriften, so dass sich ermitteln lässt, in welchem Maß das Bundesrecht durch Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften beeinflusst ist. Damit der Hinweis beide Zwecke erfüllen kann, sind einige wenige Regeln zu beachten.
Auf die umzusetzende Richtlinie ist stets im Vollzitat, d. h. unter Angabe der amtlichen Fundstelle und der letzten Änderung hinzuweisen. Das Zitiergebot kann bei der innerstaatlichen Umsetzung von Richtlinien auf verschiedene Weise und an verschiedenen Standorten erfüllt werden.
Die gebräuchlichste Form ist der Hinweis in einer Fußnote zur Überschrift des Gesetzes oder der Verordnung mit folgender Formulierung:
Dieses Gesetz/Diese Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie …/…/… des Rates vom … zur … (ABl. L … vom …, S. …)46
46Vertrag von Lissabon: Beispiele für die Zitierung von künftigen Rechtsakten der Europäischen Union in Fußnoten zur Überschrift der umsetzenden Rechtsvorschrift sind noch nicht verfügbar.Beziehen sich abgrenzbare einzelne Teile des Gesetzes oder der Verordnung auf die Richtlinie, z. B. ein Paragraph einer Verordnung oder ein Artikel eines Mantelgesetzes, sollte die Fußnote präzisiert und an der entsprechenden Paragraphen- oder Artikelüberschrift angebracht werden:
§/Artikel … dieser Verordnung/dieses Gesetzes dient der Umsetzung der Richtlinie …/…/… des Rates vom … zur … (ABl. L … vom …, S. …)47
47Vertrag von Lissabon: Beispiele für die Zitierung von künftigen Rechtsakten der Europäischen Union in Fußnoten zu einzelnen Vorschriften der umsetzenden Rechtsvorschrift sind noch nicht verfügbar.Werden mehrere Richtlinien umgesetzt, sind sie alle möglichst präzise etwa wie folgt in der Fußnote anzugeben:
Dieses Gesetz dient in § X der Umsetzung der Richtlinie … und in § Y der Umsetzung der Richtlinie …48
48Vertrag von Lissabon: Beispiele für die Zitierung von künftigen Rechtsakten der Europäischen Union in Fußnoten der umsetzenden Rechtsvorschrift sind noch nicht verfügbar.Es können auch einzelne Fußnoten an der jeweils maßgeblichen Stelle im Gesetz oder in der Verordnung angebracht werden.
Der Fußnotenhinweis hat keine Gesetzeskraft, sondern ist lediglich ein Hinweis bei der Verkündung. Dennoch sollte er bereits in den Gesetzentwurf aufgenommen werden, um schon bei den Beratungen die Bezüge zu den maßgeblichen Richtlinien hervorzuheben. Die Hinweise können im Zuge der Vorbereitung der Verkündung von der federführenden Stelle noch geändert oder ergänzt werden.
Ist ein Hinweis auf eine Richtlinie fehler- oder lückenhaft verkündet worden, ist er durch Berichtigung nach § 61 Absatz 3 Satz 2 GGO zu korrigieren oder zu ergänzen; auch ein vergessener Hinweis kann so nachgeholt werden.
Eine andere Möglichkeit dem Zitiergebot zu entsprechen, ist die Nennung der Richtlinie in der Überschrift eines Gesetzes oder einer Verordnung. Sie bietet sich an, wenn die Umsetzung der Richtlinie alleiniger Regelungsinhalt eines Stammgesetzes oder einer Stammverordnung ist. Da ein Vollzitat, das regelmäßig die Fundstelle einschließt, die Verständlichkeit der Überschrift beeinträchtigen würde, ist in einer ergänzenden Fußnote auf die Fundstelle der Richtlinie im Amtsblatt der Europäischen Union hinzuweisen, es sei denn, die Richtlinie wird im Wortlaut des Gesetzes oder der Verordnung noch einmal vollständig zitiert.
Beispiel:
Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 80/68/EWG des Rates vom 17. Dezember 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe (Grundwasserverordnung)*
* (ABl. L 20 vom 26.1.1980, S. 43)
Die Überschrift kommt für den Hinweis nicht in Betracht, wenn mit einem Gesetz oder einer Verordnung mehrere Richtlinien umgesetzt werden müssen. Die Überschrift würde bei der Aufführung mehrerer Richtlinien im Vollzitat zu lang und wenig anschaulich. Dem kann auch nicht durch eine zusammenfassende Umschreibung mehrerer Richtlinien in der Überschrift abgeholfen werden, weil damit das Zitiergebot nicht erfüllt wird.
Eine weitere Möglichkeit ist, auf die Umsetzung der Richtlinie im Regelungstext einzelner Vorschriften hinzuweisen. Für die hier entsprechende Bezugnahme ist zumindest bei der erstmaligen Nennung das Vollzitat der Richtlinie gemäß Rn. 277 zu verwenden.
Das Zitiergebot ist auch bei der Bekanntmachung der Neufassung eines Gesetzes oder einer Verordnung zu beachten (Rn. 882). Wurde das Zitiergebot durch einen Fußnotenhinweis bei der Verkündung eines Gesetzes oder einer Verordnung erfüllt, ist auch die Neufassung mit dem Fußnotenhinweis auf die Umsetzung von Richtlinien bekannt zu machen. Weil das Gesetz oder die Verordnung künftig nur noch mit der Fundstelle der Bekanntmachung zitiert wird, sollte hier der Hinweis auf alle umgesetzten Richtlinien auffindbar sein.
Entsprechendes gilt, wenn bestehende innerstaatliche Rechtsvorschriften einer später beschlossenen Richtlinie bereits entsprechen. Da in diesen Fällen eine Umsetzung der Richtlinie durch einen Rechtsetzungsakt nicht erforderlich ist, kann dem Zitiergebot erst bei der Neubekanntmachung dieses Gesetzes oder dieser Verordnung Rechnung getragen werden. Die Formulierung des Hinweises entspricht der bei der Verkündung (Rn. 309 f.).
5.4.2Hinweis auf die Umsetzung von Rahmenbeschlüssen und Beschlüssen der Europäischen Union
Auch Rahmenbeschlüsse und Beschlüsse der Europäischen Union bedürfen in der Regel der Umsetzung in innerstaatliches Recht. Sie enthalten jedoch kein Zitiergebot. Gleichwohl gibt es ein Informations- und Kennzeichnungsbedürfnis, das dem bei Richtlinien vergleichbar ist. Um die Bezüge zum Recht der Europäischen Union offenzulegen, sollten bei Rechtsvorschriften, die der Umsetzung von Rahmenbeschlüssen oder Beschlüssen dienen, entsprechende Hinweise nach den Rn. 310 ff. angebracht werden.
Ein Fußnotenhinweis ist auch hier die vorzuziehende Variante, denn die Bezeichnungen der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften und der Rechtsakte im Bereich der dritten Säule der Europäischen Union sind häufig sehr lang und eignen sich daher kaum für die Überschrift. Man sollte für das Gesetz oder die Verordnung daher eine gegenstandsbezogene Bezeichnung wählen und kann auf dieser Grundlage auch eine Kurzbezeichnung bilden. Dabei kann hingenommen werden, dass eine Kurzbezeichnung in der Regel den Bezug zum Recht der Europäischen Union nur unvollkommen widerspiegeln wird, wenn die Fußnote auf den umzusetzenden Beschluss im Vollzitat hinweist.
Vertrag von Lissabon:
Die Bezeichnung „Rahmenbeschluss“ existiert nicht mehr. Auf Grund des Wegfalls der Drei-Säulen-Struktur werden Rechtsakte der Union, die nur hinsichtlich ihres Zieles verbindlich sein sollen, einheitlich in Form der Richtlinie ergehen. Davon zu unterscheiden sind die Beschlüsse der Europäischen Union im Sinne von Artikel 288 Absatz 4 des AEU-Vertrages, die in allen ihren Teilen verbindlich sind; die Empfehlungen zu den Umsetzungshinweisen gelten für sie entsprechend.
5.4.3Hinweis auf die Einhaltung des Verfahrens nach der Notifizierungs-Richtlinie
Wenn ein Gesetz- oder Verordnungsentwurf technische Vorschriften und Vorschriften für Dienste der Informationsgesellschaft enthält, sind die Bestimmungen der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21.7.1998, S. 37), die zuletzt durch die Richtlinie 2006/96/EG (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 81) geändert worden ist, – auch Notifizierungs-Richtlinie genannt – zu beachten.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind nach Artikel 8 der Richtlinie 98/34/EG verpflichtet, der Kommission die Entwürfe von technischen Vorschriften und von Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft zu übermitteln49. Die Mitgliedstaaten dürfen die Vorschrift grundsätzlich erst nach Ablauf der in Artikel 9 der Richtlinie 98/34/EG geregelten Fristen verabschieden. Ein Verstoß gegen die in Artikel 8 und 9 der Richtlinie 98/34/EG festgelegte Mitteilungspflicht führt zur Unanwendbarkeit der betreffenden Vorschriften.
49Zum Verfahren siehe EU-Handbuch des Bundesministeriums der Finanzen.Auf die Beachtung der Richtlinie 98/34/EG muss beim Erlass technischer Vorschriften hingewiesen werden. Dieser Hinweis erfolgt durch folgende Fußnote bei der amtlichen Veröffentlichung:
Die Verpflichtungen aus der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21.7.1998, S. 37), die zuletzt durch die Richtlinie 2006/96/EG (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 81) geändert worden ist, sind beachtet worden.
Im Unterschied zum Fußnotenhinweis bei der Umsetzung von Richtlinien bleibt die Formulierung dieser Fußnote bis zu einer etwaigen Änderung der Notifizierungs-Richtlinie unverändert.
Für den Standort der Fußnote und das Verfahren zu ihrer Festlegung gelten die Empfehlungen für Fußnoten bei der Umsetzung des allgemeinen Zitiergebots (siehe Rn. 308 ff.) entsprechend. Der Hinweis auf die Richtlinie 98/34/EG sollte bereits in den Gesetz- oder Verordnungsentwurf aufgenommen werden. Er macht bei der Beratung des Entwurfs auf die Pflichten aus der Richtlinie aufmerksam. Insbesondere erinnert er daran, dass der Kommission vor der Verabschiedung der technischen Vorschriften die vorgesehenen Prüfungsmöglichkeiten einzuräumen sind. Diese Zeiträume sind auch bei der Formulierung der Inkrafttretensregelung zu bedenken.
Auf die Notifizierungs-Richtlinie wird weder in der Überschrift von Gesetzen und Rechtsverordnungen noch innerhalb der einzelnen Vorschriften hingewiesen, denn der Hinweis hilft nicht beim Verständnis des Gesetzes oder der Verordnung. Er soll nur zum Ausdruck bringen, dass die Vorschriften unter Einhaltung des in der Notifizierungs-Richtlinie vorgesehenen Verfahrens zustande gekommen sind, und kennzeichnet die innerstaatliche Vorschrift als eine mit besonderer Beziehung zum Recht der Europäischen Union.
Einmal bei einer Rechtsvorschrift angebrachte Hinweise auf die Notifizierung müssen an spätere Änderungen der Notifizierungs-Richtlinie nicht angepasst werden. So bleiben auch bereits verkündete Hinweise auf den Vorläufer der Richtlinie 98/34/EG, d. h. die Richtlinie 83/189/EWG unverändert. Dies gilt auch, wenn diese Vorschriften neu bekannt gemacht werden. Erst wenn Vorschriften nach Inkrafttreten der Richtlinie 98/34/EG oder deren Änderungen geändert werden, ist bei den Änderungen auf die aktuelle Fassung der Notifizierungs-Richtlinie Bezug zu nehmen.