Teil D Änderungsgesetze
4Das Mantelgesetz
4.1Kennzeichen des Mantelgesetzes
Das Mantelgesetz ist eine Gestaltungsmöglichkeit, mit der in einem Rechtsetzungsakt verschiedene Gesetze geändert, neu geschaffen oder aufgehoben werden können. Dabei müssen die einzelnen Teile des Mantelgesetzes in einem Sachzusammenhang stehen.
Mantelgesetze werden häufig auch Artikelgesetze genannt, was jedoch im Hinblick auf Einzelnovellen, Vertragsgesetze und Einführungsgesetze, die ebenfalls in Artikel gegliedert sind, ungenau ist.
Die Form des Mantelgesetzes muss insbesondere gewählt werden, wenn mehrere Stammgesetze von inhaltlich zusammenhängenden Hauptänderungen betroffen sind und deshalb die Form der Einzelnovelle mit Folgeänderungen nicht in Betracht kommt (Rn. 517 f.).
Das Mantelgesetz kann alle Grundformen von Gesetzen in sich vereinen. Es kann unter einer Überschrift in seinen einzelnen Artikeln u. a.
- mehrere, mitunter zahlreiche Stammgesetze novellieren,
- Stammgesetze ablösen und andere zugleich novellieren oder
- Erstregelungen zusammen mit Änderungen oder Ablösungen von Stammgesetzen verbinden.
Das Mantelgesetz enthält darüber hinaus Folgeänderungen in weiteren Gesetzen oder in Rechtsverordnungen, wenn dies notwendig ist, um die Stimmigkeit des übrigen Rechts mit den im Mantelgesetz geänderten oder neu geschaffenen Vorschriften zu wahren.
Das Mantelgesetz besitzt nur eine Eingangs- und eine Schlussformel sowie eine Inkrafttretensvorschrift.
Die Empfehlungen für Stammgesetze, Ablösungsgesetze und Einzelnovellen sind auf Mantelgesetze weitgehend übertragbar. Deshalb werden im Folgenden nur noch die Besonderheiten erwähnt.
4.2Überschrift des Mantelgesetzes
Das Mantelgesetz muss eine Bezeichnung haben. Sie gehört zum amtlichen Wortlaut des Gesetzes. Anders als bei der Erstregelung steht hier nicht die Zitierfähigkeit im Vordergrund. Ein Änderungsgesetz wird normalerweise nicht vollständig zitiert (Rn. 520). Deshalb brauchen Mantelgesetze in der Regel keine Kurzbezeichnung.
Die Bezeichnung wird gebildet wie bei einem Stammgesetz (Rn. 324 ff.). Für die Angabe des Gegenstandes (Rn. 328) sollen jedoch nicht einfach die Zitiernamen der zu ändernden Gesetze aneinandergereiht werden. Es muss vielmehr eine verallgemeinernde Beschreibung gefunden werden, die Auskunft darüber gibt, was die Regelungsgegenstände der einzelnen Artikel verbindet. Meist genügen wenige Wörter, um das Regelungsanliegen, den Zweck des Vorhabens zu beschreiben.
Beispiele:
Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts
Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union
Gesetz zur Änderung kraftfahrzeugsteuerlicher und autobahnmautrechtlicher Vorschriften
Folgeänderungen werden in der Bezeichnung nicht berücksichtigt.
Eine Jahreszahl gehört grundsätzlich nicht in die Bezeichnung eines Mantelgesetzes. Lediglich für wiederkehrende Mantelgesetze kann die Jahreszahl des Ausfertigungsjahres als Unterscheidungsmerkmal in die Überschrift aufgenommen werden. Auf diese Weise kann die – im Übrigen gleichbleibende – Bezeichnung in Zukunft wiederverwendet werden.
Beispiele:
Jahressteuergesetz 2007
Jahressteuergesetz 2008
Ein Zahlwort gehört – anders als bei der Einzelnovelle (Rn. 522) – grundsätzlich nicht in die Bezeichnung des Mantelgesetzes. Die Bezeichnung darf nur dann mit einem Zahlwort beginnen, wenn dies der Unterscheidung von Mantelgesetzen gleicher Art dient.
Beispiele:
Zweites Gesetz zur Modernisierung der Justiz
Zweites Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern
Wird ausnahmsweise eine amtliche Abkürzung für das Mantelgesetz vorgesehen, soll sie im Einvernehmen mit dem für die Dokumentation des Bundesrechts zuständigen Bundesamt für Justiz (Rn. 31) gebildet werden.
4.3Eingangsformel des Mantelgesetzes
Dem Entwurf eines Mantelgesetzes ist eine Eingangsformel voranzustellen. Das zur Eingangsformel bei Stammgesetzen Gesagte gilt auch hier (Rn. 350 bis 357).
Die Eingangsformel bezieht sich auf das Mantelgesetz als Einheit. Enthält nur ein Artikel eine Regelung, die die Zustimmung des Bundesrates oder eine qualifizierte Mehrheit erfordert, so bedarf das gesamte Gesetz der Zustimmung oder der qualifizierten Mehrheit. Man sollte daher prüfen, ob die auslösenden Änderungen gesondert oder mit einem anderen Rechtsetzungsvorhaben verwirklicht werden können, das ohnehin schon zustimmungsbedürftig ist oder einer qualifizierten Mehrheit bedarf.
4.4Aufbau des Mantelgesetzes
Das Mantelgesetz wird in Artikel untergliedert, die fortlaufend nummeriert werden. Für die Zählbezeichnung der Artikel sind arabische Ziffern zu verwenden (z. B. Artikel 3; nicht: Artikel III).
In dem Mantelgesetz ist grundsätzlich für jedes Stammgesetz ein eigener Artikel zu bilden, ganz gleich, ob das Stammgesetz lediglich in einzelnen Vorschriften geändert, ob es abgelöst oder erstmals erlassen wird. Nur die notwendig werdenden Folgeänderungen dürfen in einem Artikel zusammengefasst werden.
Die einzelnen Artikel des Mantelgesetzes sollen entsprechend der Reihenfolge der Gliederungsnummern im Fundstellennachweis A (Rn. 26) angeordnet werden. Eine andere Reihenfolge kommt in Betracht, wenn einzelne Teile des Mantelgesetzes eine herausgehobene Bedeutung haben.
Umfangreichen Mantelgesetzen kann eine Inhaltsübersicht vorangestellt werden. Sie dient ausschließlich der Übersichtlichkeit und ist im Übrigen bedeutungslos.
4.5Überschrift und Aufbau der Artikel
Jeder Artikel eines Mantelgesetzes muss eine Überschrift erhalten.
Enthält ein Artikel ein vollständiges Stammgesetz (Erstregelung oder Ablösungsgesetz), so ist die Überschrift des Stammgesetzes zugleich die Artikelüberschrift. Der weitere Aufbau des Artikels entspricht dem eines Stammgesetzes (Rn. 361 ff.), jedoch ohne eine eigene Eingangsformel, ein eigenes Ausfertigungsdatum, eine eigene Inkrafttretensvorschrift oder eine eigene Schlussformel (Rn. 722).
Die Überschrift eines ändernden Artikels nennt zuerst den äußeren Zweck „Änderung“ und im Genitiv den Zitiernamen des zu ändernden Gesetzes.
Beispiel:
Artikel 1
Änderung des Arzneimittelgesetzes
Die Überschrift eines Artikels, der Folgeänderungen in verschiedenen Gesetzen oder Rechtsverordnungen zusammenfasst, muss erkennen lassen, dass es um die Anpassung an die geänderte Rechtslage geht.
Beispiele:
Folgeänderungen
Änderungen anderer Rechtsvorschriften
Änderungen sonstiger sozial- und leistungsrechtlicher Gesetze
Ein Artikel mit Folgeänderungen wird in Absätze untergliedert, der die zu ändernden Rechtsvorschriften in der Reihenfolge der Gliederungsnummern im Fundstellennachweis A abhandelt. Es gelten die gleichen Empfehlungen wie bei der Einzelnovelle (Rn. 636 ff.).
Im Einzelfall können für Folgeänderungen auch mehrere Artikel vorgesehen werden. Das bietet sich z. B. an, wenn einzelne Folgeänderungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft treten sollen.
Vor allem bei umfangreichen Änderungsvorhaben ist sorgfältig zu prüfen, ob bisher geltende Vorschriften aufgehoben werden müssen. Man darf nicht darauf vertrauen, dass spätere Rechtsvorschriften die früheren verdrängen. Häufig überschneiden sich alte und neue Rechtsvorschriften nur teilweise. Hinzu kommt, dass jüngere allgemeine Bestimmungen ältere speziellere Bestimmungen nicht verdrängen und dass es oft schwierig ist, eine Bestimmung im Verhältnis zu einer anderen als allgemeiner oder spezieller einzustufen. Um hier von vornherein Streitigkeiten zu vermeiden, muss genau geregelt werden, ob und ggf. welche Vorschriften künftig nicht mehr gelten sollen.
Sollen nur einzelne Gliederungseinheiten eines Stammgesetzes oder einer Stammverordnung – z. B. nur einzelne Paragraphen – wegfallen, werden sie grundsätzlich an dem für Hauptänderungen oder Folgeänderungen jeweils vorgesehenen Standort mit einem entsprechenden Änderungsbefehl aufgehoben (Rn. 575 ff.).
Sollen hingegen ganze Gesetze oder Rechtsverordnungen wegfallen, etwa weil das Mantelgesetz ein Ablösungsgesetz enthält, so kann die Aufhebung in einem Schlussartikel des Mantelgesetzes angeordnet werden. Der Artikel wird z. B. mit „Aufhebung bisherigen Rechts“ überschrieben. Als alternativer Standort kommt der letzte Artikel des Mantelgesetzes unter der Überschrift „Inkrafttreten, Außerkrafttreten“ in Betracht (Rn. 576, 754).
Die Aufhebung von Stammgesetzen kann auch für einen späteren Zeitpunkt angeordnet werden; in der Inkrafttretensvorschrift ist dann der Zeitpunkt zu bestimmen, wann die Aufhebung wirksam werden soll. Das kommt einer nachträglichen Befristung des Stammgesetzes gleich. Soll die Aufhebung erst viel später, etwa ab einem Jahr seit der Verkündung, wirksam werden, so empfiehlt es sich, das Ende der Geltung des Stammgesetzes in dessen Schlussvorschriften zu verankern (Rn. 476). Dadurch erhält der Rechtsanwender die wichtige Information über das Geltungsende bereits aus dem Stammgesetz. Entsprechendes gilt für die Aufhebung von Rechtsverordnungen.
4.6Übergangsvorschriften
Übergangsregelungen dürfen nicht in den Schlussartikeln des Mantelgesetzes zusammengefasst werden. Sie gehören in das jeweilige Stammgesetz, dessen Erlass oder Änderung die konkreten Übergangsregelungen erforderlich gemacht hat (Rn. 684 ff.). Auch andere Regelungen (z. B. Verordnungsermächtigungen), denen eine normative Geltungsdauer zukommt, gehören in das jeweils passende Stammgesetz. So können Rechtsanwender alle für einen Sachverhalt maßgeblichen Regelungen im jeweiligen Stammgesetz finden. Zudem werden Regelungsreste vermieden.
4.7Geltungszeitregeln
Die Überschrift des letzten Artikels lautet „Inkrafttreten“.
Bei Mantelgesetzen kommt häufig ein gespaltenes Inkrafttreten (Rn. 455 ff., 713) in Betracht. Bei der Formulierung der Inkrafttretensvorschrift ist auf Übersichtlichkeit sowie auf die genaue Bezeichnung derjenigen Teilmenge von Vorschriften zu achten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in Kraft treten soll. Innerhalb des Artikels, der die Inkrafttretensvorschrift enthält, können die Teilmengen jeweils in gesonderten Absätzen, Sätzen oder in einer nummerierten Aufzählung stehen.
Sind die Änderungen, die zum selben Zeitpunkt in Kraft treten sollen, jeweils in einem Artikel zusammengefasst worden (Rn. 713), dann genügt es, in der Inkrafttretensregelung die einzelnen Artikel des Mantelgesetzes zu benennen. Wenn ausnahmsweise einzelne Änderungsbefehle eines Artikels zu einem abweichenden Zeitpunkt in Kraft treten sollen, sind diese konkret zu bezeichnen. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass zu den verschiedenen Inkrafttretenszeitpunkten jeweils ein eindeutiger Wortlaut des Stammgesetzes entsteht.
Die Außerkrafttretensvorschrift (Rn. 576, 745) bietet sich als eine Alternative zur Aufhebungsvorschrift an, wenn ein ganzes Gesetz oder eine ganze Rechtsverordnung wegfallen soll, weil das Mantelgesetz insoweit neues oder geändertes Stammrecht schafft. Der Schlussartikel erhält dann die Überschrift „Inkrafttreten, Außerkrafttreten“.