Teil C Stammgesetze
5Gliederung des Stammgesetzes
5.1Aufbau des Gesetzes
Der äußere Aufbau des Gesetzes wird von seinem Inhalt bestimmt. Deshalb kann ein für alle Gelegenheiten passendes Schema nicht gegeben werden. Es gibt jedoch Faustregeln, die bei jedem Entwurf eines Gesetzes zu beachten sind. So muss das Wichtigere vor dem weniger Wichtigen, die materielle Vorschrift vor der Verfahrensregelung, die Regel vor der Ausnahme und die Pflicht vor der Sanktion erscheinen.
In der Regel bietet sich der Aufbau in folgender Reihenfolge an:
- Anwendungs- oder Geltungsbereich (einschließlich notwendiger Begriffsbestimmungen)
- Hauptteil
- Verfahren und Zuständigkeit
- Strafvorschriften, Bußgeldvorschriften
- Übergangsvorschriften
- Inkrafttreten.
Allgemeine Zweckbestimmungen sind dem Stammgesetz nicht voranzustellen. Der Zweck des Gesetzes sollte aus den getroffenen Regelungen selbst ohne weiteres erkennbar sein und ergibt sich oft auch bereits aus der Bezeichnung. Von allgemeinen Zweckbestimmungen sind Regelungen über den Anwendungs- oder Geltungsbereich des Gesetzes zu unterscheiden. Solche Regelungen stehen ggf. am Anfang des Gesetzes.
Beispiel:
§ 1 des Bundesdisziplinargesetzes:
§ 1
Persönlicher Geltungsbereich
Dieses Gesetz gilt für Beamte und Ruhestandsbeamte im Sinne des Bundesbeamtengesetzes. Frühere Beamte, die Unterhaltsbeiträge nach den Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes oder entsprechender früherer Regelungen beziehen, gelten bis zum Ende dieses Bezuges als Ruhestandsbeamte, ihre Bezüge als Ruhegehalt.
Begriffsbestimmungen sollten immer dann am Anfang eines Gesetzes zusammengefasst stehen, wenn die Begriffe mit demselben Inhalt, mehrfach im gesamten Gesetz verwendet werden; die Begriffsbestimmungen können auch für dazugehöriges Verordnungsrecht von Bedeutung sein.
Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen (Rn. 381 ff.) sollten unmittelbar im Zusammenhang mit den Bestimmungen aufgeführt werden, deren Ausgestaltung sie dienen. Mehrere Verordnungsermächtigungen innerhalb eines Gesetzes können an geeigneter Stelle zusammengefasst werden.
Tabellen, Listen und Abbildungen sollten zur Entlastung des Vorschriftentextes möglichst in Anlagen aufgeführt werden. Diese haben Gesetzesrang. Sind mehrere Anlagen vorhanden, sind diese zu nummerieren.
Beispiel:
§ 3 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes:
Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.
Die Überschrift der Anlage soll eindeutig den Bezug zum übrigen Gesetzeswortlaut herstellen, möglichst genau zu der Norm, die auf die Anlage verweist.
Beispiel:
Anlage 1
(zu § 3 Absatz 2)
Kostenverzeichnis
Der Zitiername des Gesetzes muss hier nicht noch einmal angegeben werden, da die Anlage Teil des Gesetzes ist. Wird in verschiedenen Vorschriften des Gesetzes auf dieselbe Anlage Bezug genommen, genügt es, die Anlage nur als „Anlage“ zu bezeichnen oder, wenn mehrere Anlagen vorhanden sind, diese mit ihrer Nummer zu bezeichnen (z. B. „Anlage 3“).
Ausnahmsweise können besonders umfangreiche Anlagen getrennt vom Gesetz in Anlagebänden zum Bundesgesetzblatt abgedruckt werden. Auf den Anlageband und die Bezugsmöglichkeit muss in diesem Fall gesondert in einer Fußnote wie folgt hingewiesen werden:
Die Anlage wird als Anlageband zu dieser Ausgabe des Bundesgesetzblatts ausgegeben. Abonnenten des Bundesgesetzblatts Teil I wird der Anlageband auf Anforderung gemäß den Bezugsbedingungen des Verlags übersandt. Außerhalb des Abonnements erfolgt die Lieferung gegen Kostenerstattung.
Beim Entwurf von Stammgesetzen ist immer auch zu prüfen, ob andere Rechtsvorschriften aufgehoben werden können oder angepasst werden müssen. Sind Folgeänderungen in anderen Rechtsvorschriften erforderlich, sollte die Form des Mantelgesetzes (Rn. 717 ff.) gewählt werden, dessen Artikel 1 das neue Stammgesetz, Artikel 2 die Folgeänderungen und Artikel 3 das Inkrafttreten enthält. Sind lediglich andere Rechtsvorschriften aufzuheben, kann dies im letzten Paragraphen des Stammgesetzes unter der Überschrift „Inkrafttreten, Außerkrafttreten“ angeordnet werden.
5.2Einzelvorschriften und ihre Bezeichnung
Die Einzelvorschrift eines Stammgesetzes ist die kleinste Gliederungseinheit, in der unter einer Bezeichnung Regelungen zusammengefasst sind. Die Bezeichnung einer Einzelvorschrift besteht aus einer Art- und einer Zählbezeichnung. Die Artbezeichnung ist in der Regel „§“. Die Artbezeichnung „Artikel“ ist bei Vertragsgesetzen nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes sowie bei Einführungsgesetzen vorzusehen (Nummer 3 der Anlage 6 zu § 42 Absatz 2 GGO). Für die Zählbezeichnung, die der Artbezeichnung nachfolgt, müssen arabische Ziffern verwendet werden (z. B. § 3; Artikel 7).
Alle Einzelvorschriften eines Stammgesetzes müssen dieselbe Artbezeichnung haben und fortlaufend nummeriert sein, selbst wenn übergeordnete Gliederungseinheiten gebildet werden (richtig: Abschnitt 1 §§ 1 bis 3, Abschnitt 2 §§ 4 und 5 usw.). Anderenfalls wäre die Einzelvorschrift nur in Verbindung mit der jeweils übergeordneten Gliederungseinheit eindeutig identifizierbar. Dies würde zu einer unnötigen Aufblähung des Zitats führen.
Ein Buchstabenzusatz zur Zählung (z. B. § 27a) ist bei Erstregelungen unzulässig. Solche Zählbezeichnungen kommen ausnahmsweise bei späteren Einschüben durch Änderungsgesetze zustande, wenn umfangreiche Umnummerierungen der folgenden Gliederungseinheiten und damit verbundene Folgeänderungen vermieden werden sollen (Rn. 593).
Einzelvorschriften sollen Überschriften haben. Dies erleichtert die Orientierung im Gesetz. Für die Anwender können sie eine Auslegungshilfe sein. Die Überschriften sollen daher den Regelungsgegenstand stichwortartig zusammenfassen. Bereitet die Zusammenfassung in einer Überschrift Schwierigkeiten, ist das ein Zeichen dafür, dass ein zu umfangreiches Regelungspensum in einem Paragraphen mit vielen Absätzen zusammengezwängt wurde. Die Arbeit an der Überschrift lässt daher frühzeitig Mängel in der Gliederung des Regelungsstoffes sichtbar werden und kann dadurch zu einer klaren Ordnung des Regelungsstoffes beitragen.
Für einige Vorschriften haben sich bestimmte Überschriften bewährt. Übergangsregelungen werden in der Regel mit der Überschrift „Übergangsvorschriften“ versehen, die ggf. um eine nähere Bestimmung des Gegenstandes ergänzt werden kann. „Straf- und Bußgeldvorschriften“ werden als solche bezeichnet. Verordnungsermächtigungen sind in der Überschrift kenntlich zu machen (z. B. „Verordnungsermächtigung“). Die letzte Einzelvorschrift des Stammgesetzes enthält stets die Inkrafttretensregelung. Für diese lautet die feststehende Überschrift „Inkrafttreten“. Enthält die Vorschrift zugleich Außerkrafttretensregelungen, lautet die Überschrift „Inkrafttreten, Außerkrafttreten“.
Paragraphen oder Artikel, die mehrere Regelungsgedanken enthalten, sind in Absätze zu gliedern. Innerhalb der Paragraphen, Artikel und Absätze können Nummern gebildet werden. Buchstaben sind nur als Untergliederungen von Nummern zu verwenden. Als Untergliederungen von Buchstaben sind Doppelbuchstaben zulässig; weitere Untergliederungen sind zu vermeiden. Wenn sich die Frage nach einer solchen weiteren Untergliederung stellen sollte, ist der Regelungsstoff besser insgesamt anders zu ordnen. Ein folgerichtiger Aufbau und eine klare Gliederung fördert die Übersichtlichkeit und das bessere Verständnis (Rn. 105).
Die Absätze eines Paragraphen oder Artikels sind der besseren Übersichtlichkeit halber einzurücken und mit vorgesetzten eingeklammerten arabischen Ziffern zu versehen.
Bei Aufzählungen sind die einzelnen Aufzählungsglieder nicht mit Spiegelstrichen, sondern mit Nummern oder Buchstaben zu kennzeichnen. Sätze oder Satzteile, die Aufzählungen einleiten, sollten vor deren Beginn geschlossen werden (Rn. 107). Die einzelnen Aufzählungsglieder sollten Bestandteil nur eines Satzes sein.
Bei Nummern und Buchstaben wird der Text eingerückt („hängender Einzug“). Es ist darauf zu achten, dass nachfolgender Text, der nicht mehr zu einzelnen Nummern oder Buchstaben gehören soll, wieder ausgerückt wird (Folgeabsatz).
Beispiel:
§ 13 Absatz 2 des Arzneimittelgesetzes:
- (2)
- Einer Erlaubnis nach Absatz 1 bedarf nicht
- …
- 3.
-
der Tierarzt im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke für
- a)
- das Umfüllen, Abpacken oder Kennzeichnen von Arzneimitteln in unveränderter Form,
- …
- e)
- das Mischen von Fertigarzneimitteln für die Immobilisation von Zoo-, Wild- und Gehegetieren,
- 4.
- der Großhändler …
- 6.
- der Hersteller von Wirkstoffen, die für die Herstellung von Arzneimitteln bestimmt sind, die nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt werden.
Die Ausnahmen nach Satz 1 gelten nicht für die Herstellung von Blutzubereitungen, Sera, Impfstoffen, Allergenen, Testsera, Testantigenen und radioaktiven Arzneimitteln.
5.3Übergeordnete Gliederungseinheiten und ihre Bezeichnung
Übergeordnete Gliederungseinheiten führen den systematischen Aufbau des Gesetzes vor Augen. Eine übergeordnete Gliederungseinheit fasst mehrere Einzelvorschriften unter einer Zwischenüberschrift zusammen, die den Inhalt stichwortartig angibt. Zwischenüberschriften helfen, ein Gesetz gut zu strukturieren (Rn. 372 f.), dienen der Übersichtlichkeit und können für die Anwender eine Auslegungshilfe sein.
Übergeordnete Gliederungseinheiten sind nur in dem Umfang vorzusehen, in dem eine solche Verdeutlichung wegen des Umfangs des Gesetzes erforderlich ist. Die Anzahl der Gliederungsebenen eines Stammgesetzes muss sich an dem Regelungsumfang orientieren. Bei Gesetzen mit weniger als 20 Paragraphen sind in der Regel keine übergeordneten Gliederungseinheiten erforderlich.
Auch diese Gliederungseinheiten enthalten neben der Inhaltsangabe eine Art- und eine Zählbezeichnung.
Als Artbezeichnung werden vorrangig „Teil“, „Kapitel“, „Abschnitt“, „Unterabschnitt“, verwendet (Nummer 3 der Anlage 6 zu § 42 Absatz 2 GGO). Die außerdem vorzusehende Zählung macht die Artbezeichnung nicht überflüssig. Eine nur nummerierte, aber z. B. nicht als „Abschnitt 3“ bezeichnete Gliederungseinheit „3.“ ließe sich nicht eindeutig zitieren.