Teil C Stammgesetze

11Geltungszeitregeln

11.1Inkrafttretensregelung

438

Mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens beginnt grundsätzlich die Außenwirksamkeit, d. h. die Geltung der Rechtsregeln. Davon sind die Existenz und die Anwendbarkeit des Gesetzes zu unterscheiden. Existent ist das Gesetz mit seiner Verkündung. Der Zeitpunkt, der für die Anwendbarkeit des Gesetzes, etwa hinsichtlich einzelner Sachverhalte, bestimmter Veranlagungszeiträume oder bestimmter Geschäftsjahre, festgelegt wird, kann vom Zeitpunkt des Inkrafttretens abweichen. Anwendungsbestimmungen haben eher die Funktion von Übergangsvorschriften (Rn. 412 ff.). Für sie muss wie für jede Vorschrift des Gesetzes das Inkrafttreten festgelegt werden. Sie dürfen daher keinesfalls mit Inkrafttretensvorschriften vermischt werden.

439

Jedes Gesetz soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen. Wird das Inkrafttreten nicht ausdrücklich festgelegt, tritt das Gesetz mit dem 14. Tag nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist (Artikel 82 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes).

440

Die Festsetzung des Inkrafttretens ist Teil der Normgebung. Deshalb ist sie allein Aufgabe des Normgebers. Es ist unzulässig, die Bundesregierung oder ein Bundesministerium im Gesetz zu ermächtigen, den Zeitpunkt des Inkrafttretens zu bestimmen oder einen im Gesetz festgelegten Geltungsbeginn hinauszuschieben.

441

Eine Inkrafttretensregelung soll schon im ersten Entwurf vorgesehen sein. Sie ist während des Rechtsetzungsverfahrens immer wieder zu überprüfen.

442

Der Gesetzgeber kann den Termin für das Inkrafttreten grundsätzlich frei bestimmen. Er muss berücksichtigen, dass viele Regelungen für ihre Umsetzung eine gewisse Vorbereitungszeit benötigen (z. B. für den Erlass begleitender Rechtsverordnungen oder für organisatorische Vorarbeiten der Verwaltung). Dann sollte zwischen Verkündung und Inkrafttreten eine angemessene Vorlaufzeit liegen. In den Fällen des Artikels 72 Absatz 3 Satz 2 und des Artikels 84 Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes darf für das Inkrafttreten nur ein Zeitpunkt bestimmt werden, der mindestens sechs Monate nach der Verkündung liegt (Rn. 437).

443

Die Inkrafttretensregelung steht im letzten Paragraphen des Stammgesetzes. Nur so ist gewährleistet, dass sich die Inkrafttretensregelung auf das gesamte Gesetz bezieht. Etwas anderes gilt, wenn das Stammgesetz Teil eines Mantelgesetzes ist (Rn. 750).

11.2Präzise Festlegung des Inkrafttretensdatums

444

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens muss für alle Teile des Rechtsetzungsaktes so präzise wie möglich festgelegt werden. Dies folgt aus dem Gebot der Rechtsklarheit.

445

Bei Gesetzen, die weder eine Vorlaufzeit benötigen noch rückwirkend wirksam werden sollen, lautet die Inkrafttretensregelung regelmäßig:

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Tag der Verkündung ist der Tag der Ausgabe des Bundesgesetzblatts.

Zu vermeiden ist hingegen eine Formulierung, wonach das Gesetz „… am Tag der Verkündung“ in Kraft treten solle. Diese Formulierung bedeutet, dass die Regelung vom Beginn des Tages an wirksam ist, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben wird, also ab 0 Uhr. Darin liegt stets eine Rückwirkung, die unter Umständen unzulässig sein kann.

446

Eindeutig und zugleich anwenderfreundlich ist es, wenn das Inkrafttreten durch Angabe eines konkreten Inkrafttretensdatums bestimmt wird. Auf diese Weise wird der Inkrafttretenszeitpunkt auf 0 Uhr des angegebenen Tages festgelegt (Rn. 147).

Beispiel:
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.

Konkrete zukünftige Inkrafttretenszeitpunkte müssen während des Gesetzgebungsverfahrens ständig darauf überprüft werden, ob ggf. ein späteres Inkrafttretensdatum eingesetzt werden muss.

447

Das Gesetz kann auch nach Ablauf einer Zeitspanne nach der Verkündung in Kraft treten, die im Gesetz ausdrücklich formuliert ist. Dies ist dann angezeigt, wenn eine Vorlaufzeit für die Wirksamkeit der Regelungen erforderlich ist. Man kann die Zeitspanne im Gesetz z. B. wie folgt formulieren:

Beispiel:
§ 4 des Gesetzes über die Gewichtsbezeichnung an schweren, auf Schiffen beförderten Frachtstücken:
Dieses Gesetz tritt einen Monat nach der Verkündung in Kraft.

Nachteil solcher Formulierungen ist, dass sie nicht eindeutig erkennen lassen, ob der Verkündungstag selbst schon der erste Tag der Frist ist oder ob er, wie das im Fall des Artikels 82 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes bestimmt ist, nicht in die Fristberechnung einzubeziehen ist. Abhilfe schafft in diesem Fall ein Datierungsbefehl.

448

Ist die Vorlaufzeit absehbar, kann aber im Gesetzentwurf noch kein konkretes Inkrafttretensdatum bezeichnet werden, sollte das Inkrafttretensdatum durch einen Datierungsbefehl festgelegt werden. Dafür wird eine Anweisung formuliert, die den Zeitabstand zwischen dem Verkündungstag und dem Beginn des ersten Geltungstages angibt. Der Datierungsbefehl wird von der Schriftleitung des Verkündungsorgans ausgeführt, sobald der Ausgabetag des Verkündungsblattes feststeht. Im Verkündungsblatt erscheint dann nur noch das konkrete Datum. Ob die Angaben in dem Verkündungsblatt richtig sind, kann anhand des Gesetzesbeschlusses nachgeprüft werden.

449

Die Formulierung im Einzelnen hängt davon ab, mit welcher Vorlaufzeit das Gesetz in Kraft treten soll. Eine einfache Fassung ist möglich, wenn auf den Beginn einer „Kalenderwoche“, eines „Kalendermonats“ oder eines „Kalenderjahres“ nach der Verkündung abgestellt wird. Dann zählt der Rest der Zeiteinheit, in der das Gesetz verkündet wurde, jeweils zur Vorlaufzeit.

Beispiel:
Vorlaufzeit Rest des Monats der Verkündung und fünf Monate:
Dieses Gesetz tritt am … [einsetzen: Datum des ersten Tages des sechsten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] in Kraft.

Erläuterung: Erfolgt die Verkündung z. B. am 24. Juni 2007, tritt das Gesetz am 1. Dezember 2007 in Kraft.

450

Die Kalendermäßigkeit des gewählten Zeitabschnitts ist besonders wichtig, denn die Wörter „Woche“, „Monat“ und „Jahr“ können auch in anderer Bedeutung verwendet und verstanden werden (vgl. § 188 Absatz 2 bis § 191 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).

Beispiele:

a)
Vorlaufzeit zwei volle Kalenderwochen zuzüglich ggf. Rest der Woche, in die der Verkündungstag fällt:
… tritt am … [einsetzen: Datum des Montags der dritten auf die Verkündung folgenden Kalenderwoche] in Kraft.
b)
Vorlaufzeit drei volle Kalendermonate zuzüglich ggf. Rest des Verkündungsmonats:
… tritt am … [einsetzen: Datum des ersten Tages des vierten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] in Kraft.
c)
Vorlaufzeit eineinhalb Jahre zuzüglich ggf. Rest des Verkündungsmonats:
… tritt am … [einsetzen: Datum des ersten Tages des 19. auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] in Kraft.
d)
Vorlaufzeit ein volles Kalenderjahr zuzüglich Rest des Verkündungsjahres:
… tritt am 1. Januar … [einsetzen: Jahreszahl des zweiten auf die Verkündung folgenden Kalenderjahres] in Kraft.
451

Soll der Datierungsbefehl an den konkreten Kalendertag der Verkündung anknüpfen und eine Zeitspanne in ganzen Monaten umfassen, wird eine komplizierte Formulierung erforderlich, weil die Monate unterschiedlich lang sind.

Beispiel:
... tritt am ... [einsetzen: Datum desjenigen Tages des achten auf den Monat der Verkündung folgenden Kalendermonats, dessen Zahl mit der des Tages der Verkündung übereinstimmt, oder, wenn es einen solchen Kalendertag nicht gibt, Datum des ersten Tages des darauffolgenden Kalendermonats] in Kraft.

Rechenbeispiele:

verkündet: 17. Juli 2007; in Kraft: 17. März 2008
verkündet: 31. August 2007; in Kraft: 1. Mai 2008, da es den „31. April“ nicht gibt
verkündet: 29. Juni 2008; in Kraft: 1. März 2009, da es den „29. Februar 2009“ nicht gibt.

Sind hingegen ganze Jahre als Zeitspanne vorgesehen, so kann auch anders formuliert werden.

Beispiel:
Vorlaufzeit drei Jahre vom Tag der Verkündung an:
… tritt am … [einsetzen: Angabe des Tages und Monats der Verkündung dieses Gesetzes sowie die Jahreszahl des dritten auf die Verkündung folgenden Jahres] in Kraft.

11.3Bedingtes Inkrafttreten

452

Der Gesetzgeber kann das Inkrafttreten vom Eintritt eines äußeren Ereignisses abhängig machen. Das kann ein tatsächliches (z. B. Aufbringung von Geldmitteln für einen Hilfsfonds), aber auch ein rechtliches Ereignis sein (z. B. Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages, Inkrafttreten eines Rechtsaktes).

453

Das äußere Ereignis muss für die Rechtsanwender eindeutig erkennbar sein. Eindeutig erkennbar ist das äußere Ereignis regelmäßig dann, wenn es sich aus dem Bundesgesetzblatt ersehen lässt. Es kann aber sein, dass der Eintritt des äußeren Ereignisses für die Allgemeinheit nicht wahrnehmbar ist, so dass das tatsächliche Inkrafttreten unklar bleibt. In diesem Fall muss die Inkrafttretensvorschrift zusätzlich die amtliche Beobachtung und Bekanntmachung des Bedingungseintritts vorsehen. Es soll bestimmt werden, wer die Bekanntmachung vornimmt.

Beispiele:
§ 16 des Gesetzes zur Errichtung der Akademie der Künste:
Dieses Gesetz tritt an dem Tag in Kraft, an dem der Staatsvertrag über die Auflösung der von den Ländern Berlin und Brandenburg getragenen Akademie der Künste in Kraft tritt. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien gibt den Tag des Inkrafttretens im Bundesgesetzblatt bekannt.

Artikel 5 des Gesetzes zur Umsetzung der Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente:
Dieses Gesetz tritt an dem Tag in Kraft, an dem die Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente nach ihrem Artikel 8 Absatz 1 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt. Das Bundesministerium der Justiz gibt den Tag des Inkrafttretens im Bundesgesetzblatt bekannt.

454

Der Eintritt des äußeren Ereignisses bewirkt bereits das Inkrafttreten. Die Bekanntmachung ist daher in diesem Fall nur die – unverzügliche – Feststellung und Kundmachung des Eintritts der Bedingung und seines Zeitpunktes. Bei der Bekanntmachung besteht daher kein Entscheidungsspielraum hinsichtlich des Termins für das Inkrafttreten. In der Formulierung der Bekanntmachung sollte die Bedingung genannt werden, die das Inkrafttreten des Gesetzes ausgelöst hat.

Beispiel:
Bekanntmachung
über das Inkrafttreten des Gesetzes
zur Umsetzung der Akte vom 29. November 2000 zur
Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente
Vom 19. Februar 2008

Nach Artikel 5 Satz 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2166) wird hiermit bekannt gemacht, dass das Gesetz nach seinem Artikel 5 Satz 1 mit dem Inkrafttreten der Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente nach ihrem Artikel 8 Absatz 1 für die Bundesrepublik Deutschland am 13. Dezember 2007 in Kraft getreten ist.

11.4Gespaltenes Inkrafttreten

455

Für verschiedene Teile desselben Stammgesetzes können in der Inkrafttretensregelung nach Bedarf verschiedene Zeitpunkte des Inkrafttretens bestimmt werden (sog. gespaltenes Inkrafttreten). Dabei ist darauf zu achten, dass die früher in Kraft tretenden Teilmengen von Vorschriften sich zum angegebenen Zeitpunkt selbständig anwenden lassen.

456

Bei gespaltenem Inkrafttreten sind alle Vorschriften, die zu demselben Zeitpunkt in Kraft treten sollen, zu „Teilmengen“ zusammenzufassen. In der Inkrafttretensvorschrift muss für jede der „Teilmengen“ ein besonderer Zeitpunkt bestimmt werden. Dies sollte jeweils in einem eigenen Satz geschehen. Werden zahlreiche Sätze erforderlich, sind Absätze zu bilden. Zu jedem Inkrafttretenszeitpunkt werden die betroffenen Vorschriften dabei entsprechend der Reihenfolge der Paragraphen aufgezählt

457

Es ist zweckmäßig, in der Inkrafttretensvorschrift zunächst das Datum zu nennen, zu dem der Hauptteil der Regelungen vorbehaltlich der besonderen Inkrafttretenszeitpunkte für die besonderen Teilmengen in Kraft treten soll. Als Formulierung kommt in Betracht:

Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Satzes 2 am … in Kraft.

In Satz 2 kann das vom Tag des Inkrafttretens des Hauptteils abweichende Datum eingesetzt werden. Bei mehreren abweichenden Inkrafttretensdaten ist es übersichtlicher, in Absätze zu gliedern. Dann kann formuliert werden:

Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich der Absätze 2 bis … am … in Kraft.

Anschließend können in den folgenden Absätzen die besonderen Inkrafttretenszeitpunkte angeführt werden. Diese sollten in zeitlicher Reihenfolge angeordnet werden.

458

Es ist aber auch möglich, in der Inkrafttretensregelung zuerst die besonderen Inkrafttretenstermine zu benennen und dann die folgende Formulierung zu verwenden: „Im Übrigen tritt dieses Gesetz am … in Kraft.“ Diese übrigen Vorschriften müssen dann nicht einzeln genannt werden.


Die Reihenfolge der verschiedenen besonderen Inkrafttretenstermine sollte auch hierbei der zeitlichen Abfolge dieser Termine entsprechen. Zunächst sollten also die Vorschriften aufgeführt werden, die zuerst – oder mit der weitesten „Rückwirkung“ – außenwirksam werden sollen.

Beispiel:
§ 25 des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes:
§ 25
Inkrafttreten

(1)    § 6 Absatz 1 Satz 1, § 14 Absatz 1, die §§ 15 und 16 Absatz 1 sowie die §§ 17 bis 22 treten am Tag nach der Verkündung in Kraft. (2)    § 5 tritt am 1. Juli 2006 in Kraft. (3)    § 12 tritt am 31. Dezember 2006 in Kraft. (4)    Im Übrigen tritt dieses Gesetz am 13. August 2005 in Kraft.
459

Es kann gewünscht sein, an anderer Stelle im Stammgesetz (z. B. in Übergangsvorschriften oder bei der Regelung von Stichtagen, Antrags- oder Ausschlussfristen) an einen der aufgespaltenen Inkrafttretenstermine anzuknüpfen. Dann muss eindeutig erkennbar sein, welcher Inkrafttretenstermin gemeint ist. Es empfiehlt sich, das jeweilige Datum konkret oder durch einen Datierungsbefehl (Rn. 448 ff.) zu bezeichnen, weil dann Missverständnisse sicher ausgeschlossen sind. Sollte das ausnahmsweise nicht gewünscht sein, muss auf die Inkrafttretensregelung Bezug genommen werden. Dabei muss der gemeinte Inkrafttretenszeitpunkt genau umschrieben werden. Das kann unmittelbar geschehen („Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § … Absatz …“), aber auch mittelbar durch Bezugnahme auf die Vorschrift, für die eine besondere Inkrafttretensregelung getroffen wird („Inkrafttreten des § … dieses Gesetzes“).

460

Die Möglichkeit des gespaltenen Inkrafttretens ist von besonderer Bedeutung, wenn ein Stammgesetz bei seinem Inkrafttreten durch Rechtsverordnungen begleitet werden soll, für die das Stammgesetz die Ermächtigungsnormen enthält. Ein gespaltenes Inkrafttreten ist dabei erforderlich, weil eine Rechtsverordnung erst ausgefertigt werden darf, wenn die Ermächtigungsnorm in Kraft getreten ist (§ 66 Absatz 1 GGO). Außerdem ist zwischen Ausfertigung und Verkündung der Verordnung noch ein gewisser Zeitraum (Druck, Verteilung) einzurechnen. Um ein gleichzeitiges Inkrafttreten von Rechtsverordnung und Stammgesetz zu gewährleisten, muss die Ermächtigungsnorm daher vor den übrigen Vorschriften des Gesetzes und vor der Ausfertigung der Verordnung in Kraft treten. Bei entsprechender Vorbereitung kann die Verordnung somit frühestens am Tag nach der Verkündung des ermächtigenden Gesetzes ausgefertigt und verkündet werden. Der Inkrafttretenstermin der Verordnung kann dann auf den Inkrafttretenstermin der übrigen Vorschriften des Gesetzes gelegt werden.

461

Bedingtes und gespaltenes Inkrafttreten können auch miteinander kombiniert werden.

Beispiel:
§ 40 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung:
(1)    Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Absatzes 3 an dem Tag in Kraft, an dem das Übereinkommen vom 19. November 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt.
(2)    Der Tag, an dem dieses Gesetz in Kraft tritt, ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
(3)    § 2 Absatz 3 tritt am Tag nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft.

11.5Gekoppeltes Inkrafttreten

462

Es kann erforderlich sein, mehrere Rechtsetzungsakte ganz oder teilweise am selben Tag in Kraft treten zu lassen. In diesen Fällen soll ein übereinstimmendes Inkrafttretensdatum gewählt und in beiden Gesetzen entweder konkret oder durch einen Datierungsbefehl (Rn. 448 ff.) benannt werden. Übersichtlich ist es, wenn die Gesetze im selben Mantelgesetz (Rn. 717 ff.) stehen.

463

Ausnahmsweise kommt ein komplizierteres und ungewöhnlicheres Verfahren in Betracht, das die Zusammengehörigkeit der beiden Gesetze stärker betont. Das ist der Fall, wenn ein Stammgesetz und sein Einführungsgesetz (Rn. 756 ff.) zwar in getrennten Rechtsetzungsverfahren verabschiedet werden, aber am selben Tag in Kraft treten sollen. Das gleichzeitige Inkrafttreten lässt sich dadurch gewährleisten, dass in dem Stammgesetz die Inkrafttretensregelung des Einführungsgesetzes für maßgeblich erklärt wird (sog. gekoppeltes Inkrafttreten). Das Stammgesetz kann dann nicht ohne das Einführungsgesetz in Kraft treten.

464

Besonderheit des gekoppelten Inkrafttretens ist, dass die Inkrafttretensvorschriften der beiden Gesetze auf das jeweils andere Gesetz mit dessen Zitiernamen (Rn. 173 ff.) Bezug nehmen. Diese wechselseitige Verweisung setzt voraus, dass bereits im Entwurfsstadium beider Gesetze die Entscheidung für eine Kopplung getroffen wird. Nur dann kann wie folgt formuliert werden:

Letzte Vorschrift eines Einführungsgesetzes:
Dieses Gesetz und das … [Zitiername des einzuführenden Gesetzes] treten am … in Kraft.

Inkrafttretensvorschrift des einzuführenden Gesetzes:
Dieses Gesetz tritt an dem Tag in Kraft, der durch das … [Zitiername des Einführungsgesetzes] bestimmt wird.

Beispiel:
Artikel 110 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung:
Die Insolvenzordnung und dieses Gesetz treten … am 1. Januar 1999 in Kraft.

§ 335 der Insolvenzordnung:
Dieses Gesetz tritt an dem Tag in Kraft, der durch das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung bestimmt wird.

11.6Rückwirkendes Inkrafttreten

465

Im Regelfall gelten Gesetze ab einem Zeitpunkt nach ihrer Verkündung. Ausnahmsweise können sie von einem Zeitpunkt an in Kraft gesetzt werden, der am Tag der Verkündung bereits vergangen ist. Wenn für ein Gesetz ein rückwirkendes Inkrafttreten erwogen wird, ist immer eine besondere Zulässigkeits- und Zweckmäßigkeitsprüfung erforderlich.

466

Das rückwirkende Inkrafttreten wird mit folgender Formulierung ausgedrückt:

Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom … in Kraft.

467

Unzulässig ist das rückwirkende Inkrafttreten bei strafbegründenden oder strafschärfenden Gesetzen: Nach Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Soll ein Gesetz, das Straf- oder Bußgeldvorschriften enthält, rückwirkend in Kraft treten, so muss für die Straf- und Bußgeldvorschriften nach den Empfehlungen für gespaltenes Inkrafttreten (Rn. 455 ff.) eine gesonderte Regelung getroffen werden. Als frühester Tag kann hier der Tag nach der Verkündung eingesetzt werden

468

Auch im Übrigen ist es grundsätzlich verboten, Gesetze so in Kraft zu setzen, dass nachteilige Rechtsfolgen für eine Zeit bewirkt werden, die vor der Verkündung liegt (dadurch käme es zu einer „echten Rückwirkung“). Dieses Verbot kann nur durchbrochen werden, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls oder ein nicht, oder nicht mehr, vorhandenes schutzbedürftiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung gestatten. Ob eine echte oder unechte Rückwirkung (Rn. 52 Punkt 7.2) vorliegt, muss im Einzelfall genau geprüft werden.

11.7Befristung, Außerkrafttreten

469

Im Gegensatz zum Inkrafttreten muss das Ende der Geltungsdauer eines Gesetzes regelmäßig nicht von vornherein festgelegt werden. Die meisten Gesetze enthalten dementsprechend keine Außerkrafttretensregelung. Sie gelten auf unbestimmte Zeit.

470

Es ist möglich, die Geltungsdauer eines Gesetzes zu befristen. Solche sog. Zeitgesetze sind Gesetze mit ausdrücklich angegebenem Verfallsdatum.

Beispiel:
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft und am 30. Juni 2010 außer Kraft.

Auch einzelne Vorschriften innerhalb eines Gesetzes können befristet sein. Die Befristung einer Einzelvorschrift kann in der abschließenden Geltungszeitbestimmung oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vorschrift erfolgen.

Beispiel:
§ 3 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen:
Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen haben … auf Antrag einen Anspruch auf eine Entscheidung nach § 32c … Diese Regelung tritt am 30. Juni 2009 außer Kraft.

471

Von befristeter Gesetzgebung sollte sehr umsichtig Gebrauch gemacht werden. Sie widerspricht häufig den Erwartungen der Anwender an die Beständigkeit und Verlässlichkeit der Gesetzgebung. Außerdem birgt sie zwei Gefahren: Die Zeit kann zu knapp werden, um die Befristung zu verlängern oder sie aufzuheben und so die unter Umständen gewünschte Dauerwirkung der Vorschriften herbeizuführen. Dann träten die Vorschriften außer Kraft; einmal außer Kraft getretene Vorschriften müssten vollständig neu erlassen werden. Das wiederum zieht die Gefahr nach sich, dass die Befristung einfach verlängert wird, wenn das Fristende heranrückt, ohne dass genügend Zeit bleibt, um sorgfältig zu prüfen, ob und inwieweit der Regelungsbedarf wirklich fortbesteht.

472

Eine Befristung kann beispielsweise infrage kommen, wenn abzusehen ist, dass ein Regelungsbedarf nur vorübergehend bestehen wird. Dies ist regelmäßig bei Gesetzen anzunehmen, die den Charakter einer dringlichen oder einmaligen Hilfe haben.

Beispiel:
Nach dem Dopingopfer-Hilfegesetz können Dopingopfer der DDR eine einmalige finanzielle Hilfe erhalten.
§ 9 des Dopingopfer-Hilfegesetzes:

§ 9
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Es tritt mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft.

473

Befristungen können auch bei Übergangsregelungen in Betracht kommen. Nach Ablauf der Übergangszeit kann ihr Außerkrafttreten vorgesehen werden, um so automatisch den Normenbestand zu bereinigen.

474

Häufig liegt eine Befristung nahe, wenn nicht abzusehen ist, ob die Regelungen für den verfolgten Zweck angemessen und tauglich sind („Experimentiergesetzgebung“). Meist kann stattdessen dasselbe durch eine unbefristete Regelung erreicht werden, wenn die Rechtsentwicklung beobachtet wird (z. B. Evaluierung).

475

Die Befristung wird zusammen mit dem Inkrafttreten in der letzten Vorschrift des Stammgesetzes geregelt. Die Bestimmung erhält die Überschrift „Inkrafttreten, Außerkrafttreten“.

476

Das Außerkrafttreten soll auch dann im Stammgesetz geregelt werden, wenn dieses Teil eines Mantelgesetzes ist (Rn. 746). Anderenfalls entsteht ein hohes Risiko, dass die Außerkrafttretensregelung bei späteren Änderungen des Stammgesetzes übersehen wird. Außerdem kommt es bei einer Regelung in einem anderen Artikel eines Mantelgesetzes zu einem unerwünschten Regelungsrest (Rn. 747), solange die Geltungsfrist dauert. Das Stammgesetz erhält in diesem Fall eine Schlussvorschrift mit der Überschrift „Außerkrafttreten“.

477

Für das Außerkrafttreten sollte ein konkretes Datum angegeben werden. Ist das Außerkrafttreten für den ersten Tag, 0 Uhr, oder den letzten Tag, 24 Uhr, eines Monats oder Jahres vorgesehen, kann formuliert werden „… tritt am … außer Kraft“. Soll eine Vorschrift dagegen an einem Datum außer Kraft treten, das nicht der erste oder letzte Tag eines Monats oder Jahres ist, so ist zu formulieren „… tritt mit Ablauf des … außer Kraft“ (Rn. 150).

478

Wird ein Datierungsbefehl (Rn. 448 ff.) aufgenommen, etwa weil auch die Inkrafttretensregelung einen Datierungsbefehl enthält, so ist darauf zu achten, dass dieser präzise den Tag bezeichnet, an dem die Geltungsdauer enden soll.

Beispiele:

a)
zwei Datierungsbefehle; Geltungsdauer: sechs Monate
§ …
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
… tritt am … [einsetzen: Datum des ersten Tages des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] in Kraft. … tritt am … [einsetzen: Datum des letzten Tages des sechsten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] außer Kraft.
b)
Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung; Geltungsdauer: sechs Monate
§ …
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
… tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. … tritt mit Ablauf des … [einsetzen: Datum desjenigen Tages des sechsten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats, dessen Zahl mit dem Tag der Verkündung übereinstimmt, oder, wenn es einen solchen Kalendertag nicht gibt, Datum des letzten Tages dieses Kalendermonats] außer Kraft.

Rechenbeispiele zu b):

verkündet: 27. Juni 2007; in Kraft: 28. Juni 2007; außer Kraft: 27. Dezember 2007
verkündet: 31. Mai 2007; in Kraft: 1. Juni 2007; außer Kraft: 30. November 2007, da es den „31. November“ nicht gibt
verkündet: 30. August 2007; in Kraft: 31. August 2007; außer Kraft: 29. Februar 2008, da es den „30. Februar 2008“ nicht gibt.
479

Das Außerkrafttreten kann auch an den Eintritt eines äußeren Ereignisses (z. B. das Außerkrafttreten eines anderen Rechtsakts) geknüpft werden (sog. bedingtes Außerkrafttreten). Der Bedingungseintritt ist bekannt zu machen, wenn das Außerkrafttreten anderenfalls unklar bliebe (Rn. 452 ff.).

Beispiel:
§ 3 des Gesetzes über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Aufstellung von Batterieprogrammen:
Dieses Gesetz tritt an dem Tag außer Kraft, an dem die Pflicht zur Aufstellung von Programmen im Sinne von Artikel 6 der Richtlinie 91/157/EWG außer Kraft tritt. Der Tag des Außerkrafttretens ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

480

Stellt sich bei befristeten Gesetzen später heraus, dass ein Regelungsbedarf noch länger oder gar auf unbestimmte Zeit fortbesteht, so kann die Befristung verlängert oder gänzlich aufgehoben werden.

Beispiel:
Das Energiesicherungsgesetz 1975 vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3681) sollte nach § 18 Satz 2 am 31. Dezember 1979 außer Kraft treten. § 18 Satz 2 wurde durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 1979 (BGBl. I S. 2305) aufgehoben.

481

Zeitgesetze sind auch Gesetze, die an das Erreichen eines Regelungszwecks gebunden sind. Bei ihnen folgt die Befristung aus der Natur der Sache. Sie sind nur so lange geltendes Recht, bis die darin bezeichneten Maßnahmen abgewickelt sind. Sie treten automatisch außer Kraft, sobald der Zweck verwirklicht ist.

Beispiel:
Volkszählungsgesetz 1987 vom 8. November 1985 (BGBl. I S. 2078)

Allerdings ist oft nicht für jedermann erkennbar, ob und wann der Regelungszweck erreicht ist. Deshalb sollte auch in diesen Fällen bereits im Gesetz eine ausdrückliche Bestimmung des Geltungsendes getroffen werden („… tritt am … außer Kraft“ oder „… tritt spätestens am … außer Kraft“). Ist das übersehen worden, sollte das Außerkrafttreten des Altgesetzes bestimmt werden, wenn ein weiteres Gesetz mit gleichartigem Regelungszweck erlassen wird.

Beispiel:
§ 21 des Volkszählungsgesetzes 1987:
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Volkszählungsgesetz 1983 vom 25. März 1982 (BGBl. I S. 369) außer Kraft.

482

Eine Befristung ist dann nicht erforderlich, wenn sie sich bereits aus dem Grundgesetz ergibt. Das Grundgesetz sieht eine befristete Geltung für bestimmte Gesetze vor. So gelten Haushaltsgesetze nur für den Zeitraum, für den sie den Haushaltsplan feststellen (Artikel 110 Absatz 2 des Grundgesetzes). Gesetze, die im Verteidigungsfall von dem Gemeinsamen Ausschuss beschlossen worden sind, und die auf solchen Gesetzen beruhenden Rechtsverordnungen sind nach Artikel 115k Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes befristet.